Lebens-Geschichte von Renate Schoder

Renate Schoder wurde 1928 in Weimar geboren.
Sie war eine Früh-Geburt.  
Als sie zur Schule kommen sollte, 
ist das Gesundheits-Amt aufmerksam geworden.
Denn Renate Schoder war gehörlos. 

Ein Arzt untersuchte Renate.
Er sollte herausfinden, ob Renate in der Schule lernen kann. 
Es ging auch darum, ob sie später arbeiten kann. 
Oder ob sie beides wegen ihrer Behinderung nicht kann.

Außerdem wurde nachgeforscht:
Gibt es noch mehr gehörlose Menschen in der Familie ihrer Mutter? 
Ist die Behinderung vererbt?
3 andere Frauen aus Renates Familie haben auch nicht gut gehört.
Zum Teil, weil sie alt waren.
Ein Arzt sagte: Die Behinderung ist vererbt.
Nach dem Gesetz durfte Renate deshalb selbst keine Kinder bekommen. 
Damit sie die Behinderung nicht weitervererbt. 
Denn die National-Sozialisten wollten, 
dass in Deutschland nur gesunde Menschen ohne Behinderung leben. 

Der Arzt hat eine Akte für Renate vorbereitet. 
Darin stand: Sie muss später operiert werden, 
so dass sie keine Kinder kriegen kann. 
Und sie kann nicht in eine normale Schule gehen. 
Renate kam deshalb in die 
„Thüringer Taubstummen- und Blindenanstalt“ in Gotha.
Dort wohnte sie und ging zur Schule. 

In dieser Schule sollten die Kinder zu  
National-Sozialisten erzogen werden. 
Das bedeutete auch: 
Sie sollten sich freiwillig sterilisieren lassen. 
Ihnen wurde gesagt: 
Für ein gesundes deutsches Volk sollt ihr dieses Opfer bringen!
So verfolgten die Nazis ihr Ziel:
Die Bevölkerung sollte ohne Krankheiten und Behinderungen sein.
Die Nazis haben nach ihren eigenen Vorstellungen entschieden, 
wer als krank oder behindert zählt. 
Heute wissen wir: Das war ungerecht und falsch. 
Und es wird immer Menschen mit Krankheiten und Behinderungen geben. 
Ihr Leben ist genauso wertvoll.

Gebärden-Sprache war in der Schule verboten. 
Alle Kinder sollten sprechen und von den Lippen lesen lernen. 
Außerdem hatten die Schüler*innen die gleichen Fächer 
wie in anderen Schulen. 

Als Renate 11 Jahre alt war, hat ihre Lehrerin einen Brief 
an den Direktor geschrieben. 
Darin steht: Renate hat bisher fast nichts gelernt. 
Sie kann nicht lernen und stört den Unterricht. 
Deshalb soll sie die Schule verlassen. 
Renate lebte kurz bei ihrer Familie. 
Dann kam sie in ein Heim in Bad Blankenburg. 

Dort haben 2 Nonnen die Kinder geschlagen und gequält.
Sie haben zu wenig zu essen bekommen. 
Und nur selten frische Kleidung.
Viele Kinder hatten Läuse und Wanzen.  
Kranke Kinder haben keine Medikamente bekommen. 
Es war bekannt, dass dort viele Kinder sterben. 

Nach einiger Zeit kam Renate in eine andere Heil-Anstalt in Stadtroda.
Dort war es nicht besser für die Kinder. 
Viele sind nach kurzer Zeit gestorben. 
Der Leiter teilte die Kinder in 2 Gruppen ein: 

  • In Kinder, die er für idiotisch und lebensschwach hielt. 
    Diese Ausdrücke sind menschenfeindlich. 
    Es bedeutete: Sie waren weniger intelligent und waren nicht gesund. 
    Diese Kinder wurden vernachlässigt oder getötet.
  • Und in Kinder, die später Hilfsarbeiter werden können.

Das ist menschenfeindlich. 
Denn Menschen sind kein Material. 

Renate war auf der geschlossenen psychiatrischen Station. 
Nach 3 Monaten hat ihre Mutter sie besucht.
Nach dem Besuch sagte die Mutter: 
Renate lag steif und bewusstlos da.
An ihrem Körper waren viele blaue und grüne Flecke.
Sie hatte Stiche überall. 

Einen Tag nach dem Besuch ist Renate gestorben. 
Angeblich an einer Lungen-Entzündung. 
Wahrscheinlich hat sie absichtlich zu viele Medikamente bekommen.  
Das war damals oft so bei kranken und behinderten Menschen, 
die getötet wurden.
Die Ärzte, Pflege-Kräfte und Nonnen wurden nach dem Krieg angeklagt.
Aber sie wurden nicht bestraft. 
Weil es angeblich nicht genug Beweise gab, dass sie getötet haben.