19.06.2024 · Steffi von dem Fange
Hörtipp: Podcast "Weimar – NS-Musterstadt"
Das neu eröffnete Weimarer Museum Zwangsarbeit, das seine Räumlichkeiten in einem Flügel des ehemaligen Gauforum gefunden hat, stellt in einem vierteiligen spannenden Podcast Weimar als NS-Musterstadt vor. Hier wird der Bogen von der Villa des Gauleiters Sauckel über die Tätigkeiten des Amtsarztes Freienstein bis zum Zwangsarbeitslager an der Dürrenbacher Hütte gespannt:
"Weimar ist nicht nur Schiller, Goethe und Bauhaus. Weimar ist auch nationalsozialistische Musterstadt. Wie kaum anderswo, sind hier die radikalen Umbaufantasien der Nazis verwirklicht worden. Bis heute prägen sie das Stadtbild und zeigen ein Weimar, in dem eine rassistische Ideologie den Alltag der Menschen bestimmte.
Der Podcast fragt danach, wie die kleine Residenzstadt in Mittelthüringen von einem machthungrigen Gauleiter in ein NS-Machtzentrum verwandelt werden konnte. Er trifft Menschen, die immer noch Fragen an dieses nationalsozialistische Weimar haben und sich mit den Spuren auseinandersetzen, welche die NS-Zeit in Stadtbild und Familiengeschichten eingeschrieben hat. Wir treffen einen antifaschistischen Koch, der in einer ehemaligen Nazi-Villa arbeitet. Wir schauen in Unterlagen, die bis heute fast unangetastet im Thüringer Hauptstaatsarchiv liegen und wir lernen einen Belgier kennen, der auf der Suche nach dem Schicksal seines Vaters den Ort aufsucht an dem dieser als Zwangsarbeiter eingesetzt war."
Einige Ergebnisse unserer Recherchearbeit zum Weimarer Gesundheitsamt der NS-Zeit und zu einer Betroffenen der Zwangssterilisationen konnten in diesen Podcast einfließen (Folgen 2 und 4). Alle Folgen sind unbedingt hörenswert!
"Im Schatten einer alten Windmühle, hoch über Weimar, befindet sich eine auffällige, palastartige Villa. Hier residierte während des sogenannten Dritten Reichs Fritz Sauckel, eine Schlüsselfigur des NS-Staates. Der glühende Nationalsozialist und Hitler-Verehrer baute in den 1920er Jahren die NSDAP in Thüringen auf. Als Gauleiter ließ er später Weimar zur nationalsozialistischen Musterstadt umbauen. Bis heute prägt diese Zeit das Weimarer Stadtbild. Ganze Viertel wurden damals abgerissen, um das monumentale Gauforum zu errichten.
In der ehemaligen Sauckel-Villa sitzt heute ein Bildungszentrum der Bundesagentur für Arbeit. Der dortige Küchenchef (und Antifaschist) Mathias Badelt beginnt irgendwann, sich näher mit der Geschichte seines Arbeitsortes auseinander zu setzen."
Folge 2: Einfach nur ein guter Arzt?
“Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Jens Nielsen erforscht Kirsten Freienstein die Vergangenheit ihres Großvaters, der während des Nationalsozialismus das Gesundheitsamt in Weimar leitete. Kann es sein, dass er einfach nur ein guter Arzt war, wie in der Familie immer wieder behauptet wird? Die Akten im Thüringer Hauptstaatsarchiv erzählen eine andere Geschichte. Die dort dokumentierten Einzelschicksale zeichnen das Bild eines Mannes, der sich als Herrscher über Leben und Tod verstand. Sie erzählen von Ausgrenzung, vom System der Erb- und Rassehygiene, von staatlicher Willkür und von Mord an Kindern.”
Folge 3: Als Zwangsarbeiter im Sauckel-Werk
“Der Belgier Luc van Cantfort war auf der Suche nach den Spuren seines Vaters schon unzählige Male in Weimar. Nach und nach hat er das rekonstruiert, worüber sein Vater nie sprechen konnte. Seine Verschleppung und seinen Einsatz als Zwangsarbeiter im Weimarer Fritz-Sauckel-Werk. Chef-Organisator der Zwangsarbeit war der Thüringer Gauleiter Fritz Sauckel. Der gleiche Mann, der Weimar zur NS-Musterstadt umbauen ließ. Millionen Menschen ließ er zur Zwangsarbeit verschleppen. Ein Verbrechen, das nicht in Lagern, sondern in aller Öffentlichkeit stattfand.”
Folge 4: Über die Spurensuche in der Musterstadt – die Diskussion zum Podcast
"Am 16. Mai fand das offizielle Release des Podcast in den Räumen des Museum Zwangsarbeit statt. Den Rahmen bildete die Veranstaltungsreihe „In Gesellschaft.“, die bereits seit 2021 die Entstehung des Museums begleitet.
Auf der Bühne gaben Macher:innen und Protagonist:innen des Podcast Einblicke in seine Entstehung sowie die schwierige Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit Weimars."