20.02.2025 · Susan Baumert

Zur Geschichte des Umgangs mit Behinderung und Krankheit

Wir sind alle miteinander verbunden, aber nicht durch die Liste unserer gesammelten Symptome, sondern durch die sozialen und politischen Umstände, die uns als Gruppe zusammengeschweißt haben. Wir haben uns gefunden, und dazu eine Stimme, mit der wir nicht unser Schicksal anklagen, sondern uns über unsere soziale Stellung empören. Unsere Symptome sind – obwohl manchmal schmerzhaft, erschreckend oder schwer in den Griff zu bekommen – trotzdem Teil des Alltagslebens. Es gibt und gab sie in allen Gemeinschaften und zu allen Zeiten.1

Über die Jahrhunderte hinweg wurden behinderte2 und chronisch kranke Menschen sowie Menschen mit dauerhafter Einschränkung immer wieder ausgegrenzt, vorgeführt oder gar misshandelt, zwangssterilisiert und ermordet. Fehlende Rechte erschwerten ihnen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.3 Dennoch hat sich für Menschen mit Behinderung4 in der jüngeren Vergangenheit Vieles verbessert, auch wenn ihre Inklusion in eine vielgestaltige Gesellschaft, die einen respektvollen und wertschätzenden Umgang mit ihnen pflegt, im 21. Jahrhundert noch nicht gänzlich erreicht worden ist.5
Um den heutigen und zukünftigen Umgang mit behinderten Menschen verbessern zu können, ist es wichtig zu verstehen, wie in der Vergangenheit mit ihnen verfahren wurde.6 Die geschichtliche Schilderung vom Umgang mit behinderten Menschen soll zeigen, wie sich im Zuge der Entwicklung des Menschen das Bild des anderen, kranken, beeinträchtigten Menschen geformt hat. 
Aus Sicht der Disability Studies ist ‚Behinderung‘ eine zeitgebundene und damit wandelbare Konstruktion.7 Um diesen Zusammenhang zu verstehen, braucht es Wissen über den Umgang mit ‚behinderten‘ Menschen in früheren Zeiten.
Von der sogenannten Norm abweichende Menschen gibt es schon, seit Adam und Eva aus dem Paradies verstoßen wurden.8 Intoleranz gegenüber Minderheiten ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Wie es den „Anderen“ im Laufe der Geschichte erging, soll nachfolgend dargestellt werden.

Früh- und Urgeschichte

Die wenigen Belege aus der Früh- und Urgeschichte der Menschheit lassen eine Beurteilung über das Verhalten gegenüber Behinderten in sozialen Gruppen kaum zu. Trotzdem lässt sich anhand von Skelettfunden und Bestattungsritualen erkennen, dass Behinderte – entgegen der oft geäußerten Annahme – sehr wohl in die Sippe integriert waren und dass sie trotz schwerwiegender Verletzungen Hilfe erhalten haben, ohne die sie sicherlich gestorben wären. Ebenso scheint man aufgrund verschiedener Bestattungsmerkmale auf den gesellschaftlichen Status von Behinderten in der Gruppe schließen zu können – z.B. die Ausgrabung eines offensichtlich geistig behinderten Neandertalerkindes mit einer Hydrocephalie („Wasserkopf“).9
Im alten Ägypten standen behinderte Menschen unter dem besonderen Schutz der Götter. Gott erschaffe den Menschen nach seinem Belieben – sollte er auch blind oder verkrüppelt sein – betonte Amenemopes in seiner Weisheitslehre in der Zeit um das 12. bis 11. Jahrhundert vor Christi Geburt:
 
Erschwere nicht das Befinden eines Gelähmten. Verspotte nicht einen Mann, der in der Hand Gottes ist, und seit nicht aufgebracht gegen ihn <als ob du> ihn angreifen wolltest. Der Mensch ist Lehm und Stroh, der Gott ist sein Baumeister. Er zerstört und erbaut täglich, er macht tausend Geringe nach seinem Belieben […].10
 
Die ägyptische Gesellschaft verbot die Diskriminierung von behinderten Menschen. Grund hierfür war wohl der alltägliche Glaube, wonach der Mensch im Jenseits von allen Mängeln, die er im Diesseits mit sich herumtragen musste, befreit sei. Es ist demnach nicht verwunderlich, dass auch Behinderte Wohlstand und Anerkennung erlangen konnten. Doch scheint im Laufe der Zeit die Ehrfurcht vor den von Gott geschaffenen Menschen verloren gegangen zu sein. 
In Mesopotamien (um 3000 v. Chr.) wurden Behinderungen und Krankheiten eher als göttliche Willkür interpretiert. In den sog. „Omen-Texten“ finden sich Beschreibungen über viele Behinderungen und deren negative, wie auch positive Auswirkungen für die Familie, die Stadt und das ganze Land: 
 
Wenn eine Frau eine Missgeburt gebiert, wird das Land Not ergreifen. Wenn die Königin eine Missgeburt gebiert, wird der Feind die Habe des Königs rauben. Wenn eine Frau einen Krüppel gebiert, wird das Haus des Menschen in Leid geraten. Wenn eine Sklavin ein Kind ohne Mund gebiert, wird die kranke Herrin des Hauses sterben.11
 
Warum sich allerdings die eine Behinderung (z. B. Taubheit) positiv, eine andere Behinderung (z. B. Blindheit) dagegen negativ auswirken soll, ist heute wenig verständlich. Tatsache ist jedoch, dass Behinderte im damaligen Mesopotamien auf gewisse Weise im gesellschaftlichen Leben integriert waren. Man lebte mit ihnen zusammen, aber es war auch üblich, von ihnen als der „Lahme“, der „Hinkende“ oder der „Blinzler“ zu reden, statt ihren Namen zu nennen. Je nach Art der Behinderung übernahmen sie auch verschiedenste gemeinschaftliche Tätigkeiten. Auf der anderen Seite wurden aber durch die Art der damaligen Bestrafungspraktiken Behinderungen geradezu geschaffen. Bei Diebstahl war es üblich, dem Delinquenten die Hände abzuhacken. Außerdem wurden auch die im Krieg besiegten Feinde durch Blenden der Augen, Abschneiden der Hände und Füße verstümmelt.12

Antike

Es erscheint zwar verwunderlich, aber ausgerechnet in den später entstandenen Hochkulturen wie Sparta, Athen und Rom war die „Auslese menschlichen Unrats“ gängige, ethisch angeblich notwendige und sogar gesetzlich fixierte Praxis. In Griechenland, der „Wiege des Humanismus“ wurde das Töten missgebildeter Neugeborener zum Wohl der Gemeinschaft akzeptiert. Platon (427-347 v. Chr.), der das Beseitigen „verunstalteten Lebens“ für eine Selbstverständlichkeit hielt, beschreibt dies so: 
 
Die Kinder der untüchtigen Eltern und etwaige verkrüppelte Kinder der tüchtigen werden sie an einen geheimen Ort bringen… so müssen sie mit dem Kinde verfahren, als sei keine Nahrung für dasselbe vorhanden.13
 
Diese drastischen Verfahrensweisen begründen sich darin, dass der Grundsatz „Gleichheit aller Menschen, gleich welcher Herkunft“ geistig und körperlich behinderte Menschen ausdrücklich ausschloss. Sie waren „sozial unbrauchbar“, konnten also weder Kriegsdienst versehen, noch an der Politik oder Wirtschaft teilnehmen. Selbst Asklepios – griechisch-römischer Gott der Heilkunde – und Hippokrates – „Vater der Heilkunde“ – waren gegen eine medizinische Betreuung von Behinderten und unheilbar Kranken, da deren Behandlung nicht erfolgversprechend sei. Behinderte Menschen wurden unter anderem mit Prügel aus der Stadt gejagt, da sie als von den Göttern gesandtes Unglück galten, und sich das Volk dadurch versprach, den strafenden Gott besänftigen zu können.14
Im antiken Sparta (um 900 v. Chr.) entschieden die Gemeinde-Ältesten darüber, ob ein Neugeborenes in die Gemeinschaft aufgenommen werden konnte. Waren Kinder schwach oder gar krank bzw. behindert, wurden sie gleich in die sog. „Apothetai“, eine tiefe Kluft am Berge Taygetos, geworfen.15 In dieser Zeit hatten also nur Kinder eine Chance, die dem „Ideal des gesunden Menschen“ entsprachen.16
In der römischen Gesellschaft war es ebenfalls üblich, geistig und körperlich behinderte Menschen zu töten. Behinderte, die trotz allem am Leben gelassen wurden, wurden auf Sklavenmärkten verkauft. Besonders missgestaltete Menschen wurden auf sogenannten Narrenmärkten namens „forum morionum“ verkauft, wo die schlimmsten Verunstaltungen die höchsten Preise erzielten. Sie wurden dann unter anderem auf gesellschaftlichen Anlässen oder auf Märkten gegen Bezahlung dem staunenden, entsetzten Publikum präsentiert.17

Mittelalter

Im Mittelalter wurden Menschen mit Behinderungen oft als von Gott bestraft oder verflucht angesehen. Sie wurden häufig als eine Belastung für ihre Familien betrachtet und in vielen Fällen aus der Öffentlichkeit verbannt. Die von der Kanzel gepredigte Nächstenliebe war kein Garant dafür, besondere Rücksicht auf behinderte Menschen zu nehmen. Zwar gibt es ab dem 4. Jahrhundert Bemühungen seitens der Geistlichkeit – nicht der Christen –, diese unmenschliche Praxis zu beenden.
Im Jahre 787 soll der Erzbischof von Mailand – Datheus – das erste Findelhaus eröffnet haben, dem später viele weitere barmherzige Stiftungen folgten. Die Drehlade, die unter Papst Innozenz III. (1198-1216) eingeführt wurde, und in einer drehbaren Krippe bestand, die sich vorwiegend an Klostermauern und den Portalen von Findelhäusern befand, blieb bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts in Funktion. Durch sie hatten Mütter ebenfalls die Möglichkeit, sich ihres Kindes zu entledigen, ohne dabei gesehen zu werden.18 Doch in dieser Zeit bestand eine große Angst vor allem Satanischen, dem Unmenschlichem und dem abgrundtief Bösen. Alle, die nicht dem menschlichen Ebenbild entsprachen oder bei denen man – wie bei verkrüppelten Menschen – auf eine Verwandtschaft mit dem hinkenden Satan schließen konnte, waren von vornherein verdächtig. Diese Angst gegenüber dem Anderen wurde gerade durch die Kirche geschürt, und das Volk erhielt im 15. Jahrhundert ausgerechnet durch Martin Luther (1483-1546) einen großen Fürsprecher. Er sprach sich dafür aus, missgestaltete Kinder sofort nach der Geburt zu töten, denn sie seien ein von Satan ausgewechseltes seelenloses Stück Fleisch („massa carnis“), hätten nur eine begrenzte Lebensdauer und würden nur unnütz „fressen und saufen“.19 Viele Gläubige folgten diesem Rat vereinzelt bis ins 19. Jahrhundert hinein.20
 
Abgesehen von den sogenannten „heiligen Krankheiten“ wie beispielsweise der Epilepsie, galten verwirrte, geisteskranke Menschen als vom Teufel besessen, für die man zu beten hatte. Das ist wohl der Grund dafür, dass an bestimmten Pilgerstätten eine überdurchschnittliche Zahl von Betroffenen anzutreffen war. Auf der anderen Seite wurde diese Besessenheit auch als selbstverschuldet angesehen und konnte nur durch besonders rabiate Mittel bekämpft werden: So zum Beispiel durch Transfusionen mit Eselsblut, Kastration oder sogar das Öffnen des Schädels, „damit die bösen Säfte austreten konnten“). Andere Maßnahmen waren unter anderem: Das Verbrennen auf dem Scheiterhaufen, Folter, Verbannen der Irren durch die Hilfe von Händlern oder Binnenschiffern („Narrenschiffe“) oder – wie es in vielen Städten (z.B. Nürnberg und Lübeck) üblich war – durch Einsperren in Gefängnissen, Narr- und Tollhäusern oder in sogenannten „Narrentürmen“, in denen die Irren vereinzelt auch zur Schau gestellt wurden.21
Zwar existierten im Mittelalter auch Einrichtungen für behinderte Menschen, doch darf man sich diese nicht als barmherzigen Zufluchtsort vorstellen. Sie fungierten eher als Sammelbecken für mittellose Menschen, die man aus der Öffentlichkeit entfernte und mehr schlecht als recht versorgte, um sie gerade noch am Leben zu halten. Andere Betroffene hatten nur noch die Möglichkeit, sich durch die religiös motivierte Armenspende („caritas“) von gläubigen Spendern – die dies als Buße für begangene Sünden verstanden – das Lebensnotwendigste zu erbetteln. Diese „Caritas“ bildete schließlich die Grundlage für die gesamte Armen- und Krankenfürsorge des Mittelalters.22

Frühe Neuzeit

Wurde im Mittelalter versucht, Krankheit und Behinderung durch Religion und Metaphysik zu erklären, so ging man im Zeitalter der Aufklärung dazu über, diese Tatsachen rational und wissenschaftlich zu belegen: Im Zuge des medizinisch-psychiatrischen Interesses war beispielsweise der Wahnsinnige nicht länger ein vom Teufel Besessener, sondern ein „kranker, in seinen Sinnen und Empfindungen irrender Mensch“. Die Suche nach den objektiv erforschbaren Ursachen hatte unter anderem das Ziel, den Begriff „Irr-Sinn“ von jeglichen Bezügen zum Spiritismus und dem Geheimnisvollen zu befreien.23
Mit dem Interesse der Wissenschaft am „Irr-Sinn“ begann auch die totale Isolierung der „Irren“ und „Wahnsinnigen“ aus der „normalen“ Welt. Diese Begriffe hatten stark stigmatisierende Konnotationen.24 Menschen mit solchen Beeinträchtigungen wurden häufig als gefährlich oder als eine Belastung für die Gesellschaft betrachtet:
 
Die naturwissenschaftliche Medizin förderte die Idee der „Normalität“ als übergreifendes Regulativ gegenüber den sozialen Widersprüchen der Klassengesellschaft. Gesundheit wurde als Summe von messbaren Normalwerten verstanden und zwischen den Polen „normal“ und „abnorm“ verhandelt.25
 
Für Michel Foucault war dieses wissenschaftliche Interesse der Grund für die Entstehung sogenannter „Internierungszentren“ wie Hospitälern, Gefängnissen, Zuchthäusern, sogenannte „Irrenhäusern“ oder Asylen. Durch diese speziellen Internierungszentren wurde die „Welt der Vernunft“ vor dem Wahnsinn bewahrt und die Normalität als alleinige Daseinsberechtigung etabliert.26 Dies stellt den Hauptgrund dar, warum die „Verrückten“ – die der Normalwelt „Ent-rückten“ – bis zum heutigen Zeitpunkt in dafür errichteten Bewahranstalten ihr Dasein fristen.27
Foucaults Schriften folgend, geht es bei der Entstehung der Psychatrien und der damit verbundenen Institutionengeschichten auch um den „Aspekt des Verhältnisses von Macht und Körper, der die Seite der Repression des Körperlichen ergänzt und korrigiert“.28 Die Kontrolle über den Körper erfolgte seit der Moderne durch subtile Formen der Überwachung, Disziplinierung und Normalisierung. Die Institutionen der Psychiatrie spielten in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle, indem sie „abweichende“ Körper und Verhaltensweisen definierten und reglementierten.29
 
Eng verbunden mit dem Umgang mit den „Irren“ ist demnach die Institutionsgeschichte der klinischen Psychiatrien, die von nun an neuartige psychische Behandlungskonzepte in ihren dafür vorgesehenen Heil- und Pflegeanstalten in die Praxis umsetzten.30
Die Entwicklung der Psychiatrie als eigenständiges medizinisches Fachgebiet begann im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Diese Zeit markiert den Beginn einer systematischeren und oft auch institutionellen Behandlung von Menschen mit geistigen und psychischen Behinderungen.31 Ein weiterer zentraler Aspekt im Umgang mit diesen von der Norm abweichenden Menschen lässt sich auch mit strukturellen Veränderungen innerhalb der staatlichen Sozial- und Gesundheitspolitik erklären: „[…] neue Rechte für Personal und Insassen sowie eine neue staatliche Sozial- und Gesundheitspolitik […]“ trugen zu einem umfassenden Strukturwandel in einer komplexen gesellschaftlichen Umbruchsituation bei.32

19. Jahrhundert / Industrialisierung

Behinderte Menschen – in der Diktion der Zeit als „verkrüppelt“, „missgebildet“ oder „idiotisch“ bezeichnet – waren im 19. Jahrhundert nicht nur Objekte der Forschung, sondern wurden im gesellschaftlichen Kontext vor allem als sozial-politisches Problem angesehen. Es sollte mit den Mitteln des entstehenden Sozialstaats und der privaten Wohltätigkeit gelöst werden – zum Nutzen der Gesellschaft und des Individuums. Das Ziel war die weitgehende Anpassung der als abweichend und defizitär klassifizierten Menschen an die funktionalen Erwartungen der bürgerlichen, kapitalistisch verfassten Gesellschaft. Dort bildeten Leistungsfähigkeit und Produktivität entscheidende soziale Bewertungskriterien. Nutzbringende Erwerbsarbeit galt als Produktionsfaktor, Ausdruck menschlichen Seins und Integrationsinstrument zugleich. Medizinische, pädagogische und berufliche Maßnahmenkataloge wurden entwickelt, um der Gesellschaft die ihr vermeintlich fern stehenden Menschen mit Behinderungen zuzuführen. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurde dieser Rehabilitationsansatz institutionalisiert und in der gesetzlichen Unfallversicherung auch erstmals sozial-gesetzlich verankert. 33
Behinderung wurde im 19. Jahrhundert jedoch auch biologistisch und gänzlich unabhängig von Gesellschaft und Kultur definiert. Medizinisch konstatierte „Andersheiten“ wurden als Defekt oder Störung beschrieben. Jene verkörperten „Andersheiten“ waren nicht nur Objekte der Forschung, sondern vor allem auch Zielobjekte von Therapie und Präventionsversuchen. Dies gebot die im Zuge der Aufklärung formulierte bürgerliche Sozialethik.34
Die Behandlung psychischer Erkrankungen im 19. Jahrhundert war von einem Übergang von primitiven und oft grausamen Methoden zu humaneren und systematischeren Ansätzen geprägt. Die Konzepte in diesem Bereich waren vielfältig und spiegelten die sich wandelnden Vorstellungen über die Natur und Ursachen psychischer Störungen wider. Die „moralische Behandlung“35 des Patienten markierte einen bedeutenden Fortschritt, indem sie die Bedeutung eines menschlicheren, respektvolleren und unterstützenden Umgangs mit Patienten erkannte.36 Diese Methode umfasste Maßnahmen wie die Abschaffung von Ketten und Zwangsjacken, die Förderung eines geregelten Tagesablaufs und die Einbindung der Patienten in leichte Arbeit und soziale Aktivitäten. Gleichzeitig entstanden frühe Formen der Psychotherapie und psychopharmakologischen Behandlung, die die Basis für zukünftige Ansätze legten.
Obwohl es jene Bemühungen um humanere Behandlungsformen gab, war die frühe Psychiatrie dennoch stark von medizinischen und oft pseudowissenschaftlichen Ansätzen geprägt. Viele Behandlungsmethoden basierten auf einem unzureichenden Verständnis von psychischen Erkrankungen und beinhalteten fragwürdige und oft grausame Praktiken wie Aderlass, erzwungene Bäder, Isolation und Fixierung.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts führten soziale Bewegungen zu Reformen im Umgang mit Menschen mit Behinderungen. Reformatorische Bewegungen, wie die von Dorothea Dix in den USA,37 setzten sich für bessere Bedingungen und die humane Behandlung von psychisch kranken Menschen ein.
Trotz dieser Fortschritte blieben viele Herausforderungen bestehen, so dass der Umgang mit Menschen mit Behinderung zu Beginn der Institutionengeschichte der Psychiatrie von einem Spannungsverhältnis zwischen Stigmatisierung und der Suche nach humaneren Behandlungsformen geprägt war:38 Die Einrichtungen waren oft überfüllt, die Bedingungen schlecht und die Behandlungsmethoden ineffektiv oder/und schädlich. 
Die Entwicklung der Psychiatrie als medizinische Disziplin führte zu wichtigen, wenn auch langsamen Fortschritten in der Betreuung und Behandlung von Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen. Doch erst im 20. Jahrhundert kam es zu größeren Fortschritten in der Psychiatrie, einschließlich der Entwicklung von Psychopharmaka und moderneren psychotherapeutischen Ansätzen.
Auch ein Blick in die realen Lebensumstände des 19. Jahrhunderts zeigt eine drastische Kehrseite der schlechten gesellschaftlichen Bedingungen, die durch die Industrialisierung, in der der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften immer höher wurde, einer stetigen Forcierung unterlagen: Infolgedessen verwunderte es kaum, dass die stigmatisierende Selektionspraxis von Behinderten, Schwachsinnigen und Minderbegabten ungehindert voranschreiten konnte: „Minderbegabte“ Schüler galten beispielsweise als „Ballast für das Erreichen des geforderten Leistungsniveaus“ und wurden zunächst in Nachhilfeklassen, später – ab 1867 –  in Hilfsklassen versetzt. Sie hatten das Ziel, die sogenannten „Schwachsinnigen“ und „Halbidioten“ in die Regelschulen zu reintegrieren. Aber es kam im Gegenteil aufgrund der geringen Rückführung zum Ausbau dieser Einrichtungen und damit letztendlich zur Entstehung der Hilfsschule, in der die betroffenen Kinder üblicherweise während ihrer gesamten Schulzeit verblieben. 
Nach den damaligen Kriterien sollten die „Schwachsinnigen“ – „Kinder mit Bewusstsein“, aber mangelnden Sprachleistungen – in Nachhilfeeinrichtungen und die Kinder, die „sinnlos schwätzen oder unartikulierte Laute ausstoßen“, in sog. „Blödsinnigen-Anstalten“ eingewiesen werden. Die Schwachsinnigen sollten dabei – um „ihren Gemeinden nicht zur Last zu fallen“ – zu „brauchbaren Menschen herangezogen werden“.39 Der „spezifische Fördergedanke“ und der damit verbundenen „Einrichtung besonderer Hilfssysteme“ wurde eine „stigmatisierende Selektionspraxis installiert, die [...] bis in die Gegenwart nachwirkte“.40

Charles Darwin und die „domestizierte Gesellschaft“

Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang die „Selektionstheorie“ von Charles Darwin (1809-1982), die die Angst vor der Verseuchung der Zivilisation durch „menschlichen Unrat“ merklich schürte. Nur den Starken und Tüchtigen gehöre die Zukunft, und nur durch sie sei Fortschritt und Höherentwicklung möglich. Darwin verwies dabei auf „unwissende, aber durch lange Erfahrung belehrte Völker“:41
           
Bei Wilden werden die an Geist und Körper Schwachen bald beseitigt, und die, welche leben bleiben, zeigen gewöhnlich einen Zustand kräftiger Gesundheit. Auf der andern Seite thun wir civilisirte Menschen alles nur Mögliche, um den Process dieser Beseitigung aufzuhalten. Wir bauen Zufluchtsstätten für die Schwachsinnigen, für die Krüppel und die Kranken, erlassen Armengesetze, und unsere Ärzte strengen die größte Geschicklichkeit an, das Leben eines Jeden bis zum letzten Moment noch zu erhalten. Es ist Grund vorhanden, anzunehmen, daß die Impfung Tausende erhalten hat, welche in Folge ihrer schwachen Constitution früher den Pocken erlegen wären. Hierdurch geschieht es, daß auch die schwächeren Glieder der civilisirten Gesellschaft ihre Art fortpflanzen. Niemand, welcher der Zucht domesticirter Tiere seine Aufmerksamkeit gewidmet hat, wird daran zweifeln, daß dies für die Rasse des Menschen im höchsten Grade schädlich sein muß. Es ist überraschend, wie bald ein Mangel an Sorgfalt oder eine unrecht geleitete Sorgfalt zur Degeneration einer domesticirten Rasse führt; aber mit Ausnahme des den Menschen betreffenden Falls ist kein Züchter so unwissend, daß er seine schlechtesten Thiere zur Nachzucht zuläßt.42
 
Diese These fand prompt zahlreiche Anhänger – Deutschland und England standen innerhalb dieses europäisches Prozesses an der Spitze: Der britische Soziologe und Philosoph Herbert Spencer lehrte beispielsweise, dass es sich keine Gesellschaft leisten könne, „ihre schwachen Glieder auf Kosten der starken zu schützen“. John Berry Harcraft feierte in seinem 1895 in London erschienenen Buch Darwinism and race progress tödliche Infektionskrankheiten als „Freunde der Rasse, die ihre schwächeren Glieder amputieren“. Außerdem war er gegen ihre Behandlung und Bekämpfung, da dadurch nur „minderwertige Typen“ gefördert würden, die „das Blut der englischen Rasse und ihren Intellekt schädigen“. Ein weiterer Anhänger der Darwin’schen Selektionstheorie sah das Problem der Erbkrankheiten dadurch gelöst, indem man zum einen eine staatlich gelenkte Heiratskontrolle betrieb, zum andern in der konsequenten „Segregation oder Eliminierung“ der Kranken, ebenfalls durch „Staatsaktion“.
Auch die Sozialisten wollten teilhaben an der Lösung dieser „großartigen“ Aufgabe. Karl Pearson (1857-1936), einer der führenden britischen Sozialisten der damaligen Zeit und gleichzeitig renommierter Mathematiker und Biologe, verlangte von seinen Genossen, dass es das oberste Ziel sein müsste, durch überlegt betriebene und staatlich gelenkte „Rassenkultur“ den Ausleseprozess der Natur zu fördern. Sei man hier zu nachsichtig, so höre Großbritannien „bald auf, eine Weltmacht zu sein“ und es könne schließlich geschehen, dass England „den Iren und Juden zum Opfer falle“. Bekannte Literaten wie George Bernard Shaw (1856-1950) und Herbert George Wells (1866-1946) stimmten ihm vollends zu – Wells bestand sogar auf einer staatlichen Sterilisierung aller Träger mit „minderwertigem Erbgut“.43
Die Schlussfolgerungen, die man seinerzeit aus Darwins Selektionstheorie zog, wurden bekanntermaßen auf abscheulichste Weise während des Zweiten Weltkrieges in die Tat umgesetzt: Gerade einzelnen politischen Gruppierungen, wie den Nationalsozialisten, vereinzelt auch Mitgliedern des Kepler- und Monistenbundes dienten die Forschungserkenntnisse über die Abstammung des Menschen, die vor allem von Darwin und Ernst Haeckel (1834-1919) erbracht wurden, um ihre politischen Ziele zu begründen:44

Besonders im Norden und in der Mitte Europas etablierten sich Interessengruppen, die sich zum Ziel gesetzt hatten, den „nordischen Menschen“ (später dann öfter mit „Arier“ gleichgesetzt) mit als positiv empfundenen körperlichen und geistigen Merkmalen aufzuladen. Dabei erregten diese Gruppen eine recht große mediale Aufmerksamkeit und trugen auf diese Weise ihre Vorstellungen breit in die Gesellschaft. […] Dieser positiven Aufladung der „Nordischen Rasse“ folgten zwangsläufig Tendenzen zur Bewahrung der angeblichen positiven Eigenschaften. Hier wurde die Politik angefragt, entsprechende    Forderungen in Gesetze auszugestalten. Ferner gerieten bevölkerungspolitische Überlegungen mehr und mehr in sozialdarwinistische Perspektive, und es war die Rede von der Zurückdrängung der Minderwertigen, der Auslese der Tüchtigsten usw. Dieser „sozialdarwinistische Biologisierungsschub“ führte zu einem tiefgreifenden Paradigmenwechsel, stießen doch nun zunehmend Stichworte wie eben „Rassenkunde und -hygiene“, „Eugenik“ usw. auf breite Resonanz in der Bevölkerung.45
 
Es verwundert daher kaum, dass Ende des 19. Jahrhunderts der Begriff der „Euthanasie“ (griech. ‚eu’ für gut, schön; ‚thanatos‘ für Tod) fortan in Zusammenhang mit der Tötung schwerkranker Menschen diskutiert wurde.46 Adolf Jost – ein Philophie- und Physikstudent aus Göttingen – forderte in seiner 1895 vorgelegten Schrift „Das Recht auf den Tod“ als erster sowohl die Freigabe der Tötung auf Verlangen körperlich Kranker als auch die Freigabe der Tötung so genannter Geisteskranker. Seinen Aussagen zufolge, bestehe der Wert des individuellen Lebens aus der Summe von Freude und Schmerz und der Summe von Nutzen und Schaden für die Mitmenschen. Um die Akzeptanz dieser Gedanken innerhalb der Gesellschaft zu steigern, schlug Jost obendrein vor, dass der Staat vorerst nur den Ärzten erlauben solle, unheilbar Kranke aufgrund ihrer Willensbekundung zu töten. Erst in einer zweiten Stufe solle der Staat die Tötung der Geisteskranken regeln.47

NS-Zeit

Die Zeit der NS-Diktatur (1933-1945) brachte einen noch größeren Rückschritt im Umgang mit behinderten Menschen mit sich. Körperliche, seelische und geistige Behinderungen wurden von nun an noch mehr als Schwäche gewertet. Menschen mit Behinderung galten als „lebensunwertes Leben“ und wurden im Rahmen des NS-Euthanasie-Programmes über  300.000 Menschen zwangssterilisiert und getötet:48
 
Abgrund dieser Epoche war ein schier unvorstellbares Massenmordprojekt, das eine komplexe Vorgeschichte hat und eine erstaunlich lange Nachgeschichte. Die Eugenik zu verlernen, hat sich in Deutschland als ein außerordentlich zäher Prozess erwiesen, der bis heute nicht abgeschlossen ist.49
 
Die Wege zur Sterilisation und Ermordung reichten von Ausgrenzungen durch Unfälle und Krankheiten bis hin zu politischer, gesellschaftlicher und privater Exklusion:50
 
Eine vermeintliche Krankheit kann als Deckmantel für politische und gesellschaftliche Feindschaften und Ausgrenzungen herhalten. Bilder von Krankheiten, Leistungsdenken und Wertzusprechungen sind im gesellschaftlichen Bewusstsein miteinander verschränkt. Ferner trägt erhellend bei, was [Klaus, S.B.] Dörner mit „industriell unbrauchbaren Menschen“ gemeint hat: So ist die Psychatrie […] mit ihren sozial bedingten Krankheitsbildern integraler Bestandteil der Industrialisierung mit den entstehenden Folgen. Und ebenso zählen dann Extremformen wie Holocaust und Krankenmord zu den „Seinsweisen von Ordnungssystemen“ […].51
           
Die Nationalsozialisten wollten eine Gesellschaft, in der nur gesunde und leistungsstarke Menschen lebten. In NS-Kreisen und unter NS-Ärzten bestand die Auffassung, „dass es doch einfacher sei, man würde solche „Ballastexistenzen“ töten als sie mit staatlichen Geldern zu ernähren.“52 Dementsprechend forderten rassehygienische Schriften renommierter Eugeniker und Ärzte schon früh die Heilung des kranken „Volkskörpers“.53 Ihrem Verständnis nach sei dieser durch zu viel „Fürsorge und Schonung“ sowie Mangel an natürlicher Übung geschwächt und dessen Erbmasse durch „Zivilisationsgifte“ sowie „Mangel an Ausmerze und Auslese“ geschädigt.54
Im „Ahnenpass“, der seit der „Verordnung zu amtlichen Abstammungsnachweisen“ von jedem „Volksdeutschen“ zu führen war, stand deshalb auch: Jeder habe „sein Blut von fremden Einflüssen rein zu halten und die in den Volkskörper eingedrungenen fremden Bluteinschläge wieder auszumerzen“ (14.02.1935). Dabei wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, „dass sich dieser Rassegrundsatz auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Erblehre und Rassenforschung gründe“.55
Der Chefideologe Alfred Rosenberg verlangte in seinem 1930 herausgegebenen Buch, in dem er sich auf die Rassentheorien Joseph Arthur de Gobineaus56 (1816-1882) und Houston Stewart Chamberlains57 (1855-1927) stützte, die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für die sogenannte. „Volkshygiene“:
 
Will eine deutsche Erneuerung die Werte unserer Seele im Leben verwirklichen, so muss sie auch die körperlichen Voraussetzungen dieser Werte erhalten und stärken. Rassenschutz, Rassenzucht und Rassenhygiene sind also die unerlässlichen Forderungen einer neuen Zeit. Rassenzucht bedeutet aber im Sinn unseres tiefsten Suchens vor allem den Schutz der nordischen Rassenbestandteile unseres Volkes. Ein deutscher Staat hat als die erste Pflicht, Gesetze zu schaffen, die dieser Grundforderung entsprechen.58
 
Mit der Machtübernahme am 30.01.1933 und der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, setzte die nationalsozialistische Regierung die vorher propagierten „rassenhygienischen Maßnahmen“ sofort in die Tat um. Nachdem Hitler mit Hilfe des Ermächtigungsgesetzes am 23.03.1933 die gesamte Staatsmacht übernahm, verkündete der amtierende Reichsinnenminister Wilhelm Frick im Juni 1933 in einer Rede auf der ersten Sitzung des „Sachverständigenbeirats für Bevölkerungs- und Rassenpolitik“, dass die „übertriebene Fürsorge für das Einzelindividuum zwangsläufig zum Untergang des Volkes führen müsse“.59 In dieser ersten Sitzung beauftragte er den Rat auch unverzüglich damit, ein Sterilisationsgesetz zu verfassen.60 Es ist demzufolge kaum verwunderlich, dass der „biologisch vollwertige Rassenmensch“61 im Zentrum des rassenhygienischen Ideals stand:
 
Im Rahmen der Entwicklung von Machttechniken werden die individuellen Körper institutionell sichtbar und durch entsprechende Techniken der Disziplinierung gestaltbar und es entsteht eine nicht individuierende, Massen konstituierende Seite der Macht, „die nicht auf den Körper-Menschen, sondern auf den Species-Menschen gerichtet ist“ mit entsprechenden Techniken der Regulierung. Krankheiten erscheinen als Kostenfaktoren, „als permanenter Tod, der in das Leben eindringt“, Bevölkerung wird zum politischen Problem und zum Problem der Macht. Körperregulierung wird Aufgabe der Institutionen, Bioregulierung wird Aufgabe des Staates. Rassismus erscheint hier als grundlegender Mechanismus, um Einschnitte durchzuführen „zwischen dem, was leben muss, und dem, was sterben muss“.62
 
Bereits wenige Monate nach der nationalsozialistischen Machtergreifung erließ das Regime das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das die Zwangssterilisation als erbkrank bezeichneter Individuen gesetzlich normierte und ermöglichte. Dieses Gesetz bildete die Grundlage für eine weitere Eskalation der NS-Rassenpolitik. Die als „Euthanasie“ euphemistisch camouflierte Aktion der Vernichtung unerwünschten Lebens hingegen wurde ohne gesetzliche Grundlage und nur auf Basis eines entsprechenden Erlasses Adolf Hitlers durchgeführt.63
Der schwache, chronisch Kranke hatte in der NS-Leistungsmedizin keinen Platz. Er wurde stattdessen für menschenverachtende medizinische Versuche benutzt, die in den Konzentrationslagern, aber auch in etablierten Krankenhäusern und sogenannten Heilanstalten durchgeführt wurden. Betroffene Menschen kamen hierbei oftmals grausam zu Tode. 
Unter der Tarnbezeichnung „Aktion T4“ organisierten die Nationalsozialisten ab 1939 die systematische Ermordung von Menschen mit Behinderungen, die als „lebensunwertes Leben“ deklariert wurden. Nach dem offiziellen Stopp der Aktion T4 im August 1941 wurde die Tötung jedoch dezentral und verdeckt weitergeführt, insbesondere in Form der Kinder-Euthanasie.64
Die Kinder-Euthanasie begann bereits 1939 und richtete sich primär gegen Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre, die als „erbkrank“ oder „unheilbar krank“ eingestuft wurden. Diese Einordnung erfolgte oft willkürlich durch Ärzte und Psychiater, die der NS-Ideologie verpflichtet waren.65 Die Auswirkungen der institutionellen Willkür sowie Wirkmächtigkeit der Täter, aber auch die individuelle Ohnmacht der Opfer, ihren eigenen Körper, ihr eigenes Leben zu schützen, werden innerhalb dieser grausamen Prozedere nur zu offenkundig: 
 
Gerade das perfide Zusammenspiel der pseudowissenschaftlich legitimierten Bestrebungen der NS-Eugeniker unter der Leitung von Prof. Karl Astel an der Universität Jena und dem institutionell wirkmächtigen „Landesamt für Rassewesen“ in Weimar (ebenfalls unter der Leitung Astels) vermochten es, nicht nur der Bevölkerung die „NS-Rassenideologie“ zu vermitteln, sondern auch das gesamte thüringische Volk willkürlich und ohne jegliche medizinische Begründung „rassenhygienisch“ zu erfassen.66
 
Geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche sowie solche mit auffälligem Verhalten wurden durch einen geheimen Reichserlass von 193967 systematisch von Ärzten und Hebammen an die Gesundheitsämter gemeldet,[68] erfasst und ab 1940 in den sog. „Kinderfachabteilungen“ organisiert ermordet.69 Den Familien war dies oft nicht bekannt. Sie wurden in dem Glauben gelassen, dass die Kinder an Infektionskrankheiten verstorben seien. Der NS-Kinder-Euthanasie fielen in über 30 existierenden Kinderfachabteilungen mindestens 5000 Menschen zum Opfer.70 
Auch Thüringen war Teil dieses Verbrechenssystems:71 In Thüringen wurden Kinder mit verschiedenartigen Behinderungen in psychiatrischen Einrichtungen wie der Landesheilanstalt Stadtroda untergebracht. Diese Anstalten waren zentrale Orte der Kinder-Euthanasie.72 Ärzte wie der Leiter der Anstalt, Dr. Paul Nitsche, waren aktive Befürworter der „NS-Rassenhygiene“ und trugen direkt zur Selektion und Ermordung von Kindern bei:73 Kinder, die als „lebensunwert“ eingestuft wurden, erhielten oft absichtlich Überdosen von Beruhigungsmitteln wie Luminal. Diese Mittel führten zu einer schleichenden Vergiftung und letztlich zum Tod der Kinder. Andere wurden gezielt unterernährt oder durch medizinische Experimente getötet:
 
Bei der Befragung der Eltern, […] deren Kinder an Pneumonie verstarben, wurde durch diese   geäußert, dass ihre Kinder vorher keine Anzeigen von Lungenentzündungen zeigten. Die     Vermutung, dass man durch Eingeben von Schlafmitteln und Beruhigungsmitteln in Überdosis eine Lungenentzündung und damit den schnellen Tod herbeiführte, scheint demnach zuzutreffen.74
 
Die Organisation der Kindereuthanasie war erschreckend gut durchdacht: Die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen, der NSDAP und der Ärzteschaft war entscheidend für die Umsetzung der Kinder-Euthanasie. Meldebögen, die von Hebammen, Ärzten oder Lehrern ausgefüllt wurden, dokumentierten Auffälligkeiten bei Neugeborenen und Kindern, die dann zur Begutachtung in spezialisierte Pflegeeinrichtungen und Heime geschickt wurden. Diese Meldesysteme erleichterten die Identifikation und Selektion der Opfer:75 „Die Erfassung der Anstaltspatienten w[u]rd[e] über Meldebögen abgewickelt, die jeweils drei Gutachter beurteilten. Selektiert w[u]rd[e] vordergründig nach diagnostizierten Kriterien, im Kern aber nach Pflegeaufwendigkeit und Arbeitsleistung.“76
Außerdem wurden spezielle Einrichtungen und Stationen eingerichtet, in denen die Kinder unter dem Vorwand medizinischer Behandlung ermordet werden konnten. Die Ärzte und Pflegekräfte, die an diesen Aktionen beteiligt waren, folgten dem Prinzip der „Arzt-Patienten-Ethischen Bewertung“, das heißt, sie rechtfertigten die Tötungen als medizinische Notwendigkeit...
Die Beteiligung der Thüringer Verwaltung an der Kinder-Euthanasie zeigt, wie tief die NS-Ideologie in die Strukturen des Gesundheitswesens und der Bürokratie eingedrungen war. Die systematische Ermordung war nicht das Werk einzelner, sondern das Ergebnis eines organisierten und koordinierten Systems.77
Die genaue Zahl der Opfer der Kinder-Euthanasie in Thüringen ist schwer zu ermitteln, da viele Dokumente absichtlich vernichtet wurden. Schätzungen gehen davon aus, dass hunderte Kinder in Einrichtungen wie Stadtroda oder dem Anna-Luisen-Stift in Bad Blankenburg ermordet wurden. 
Die Kinder-Euthanasie in Thüringen ist ein mahnendes Beispiel für die Verbrechen des NS-Regimes und die Rolle der Medizin im Dienst einer unmenschlichen Ideologie. Sie zeigt, wie staatliche Strukturen für systematische Verbrechen instrumentalisiert und missbraucht werden können. Die Erinnerung an die Opfer und die kritische Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit bleiben eine zentrale Aufgabe der Gesellschaft.78

Nachkriegszeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann in Deutschland eine lange Phase der Aufarbeitung und Neuausrichtung. „Zivilbehinderte“ blieben dabei zunächst weitgehend unbeachtet. Kriegsopferverbände formierten sich hingegen schon kurz nach Kriegsende neu. Auf Druck der Alliierten sollten die nationalsozialistischen Verbrechen in einem umfassenden Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg untersucht und die Täter verurteilt werden. Der erste Kriegsverbrecherprozess vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg dauerte bis September 1946.79 Im Dezember desselben Jahres folgte der Nürnberger Ärzteprozess.80
Den 23 Angeklagten wurden schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen: Zwangssterilisationen, tödliche Experimente wie Unterkühlung und Unterdruck, Infektionen mit Fleckfieber oder Hepatitis, Vergiftungen mit Kampfgasen, Tötungen für Skelettsammlungen und „Rassenforschungen“, systematische Euthanasieprogramme sowie die „Ausmerzung“ unerwünschter Teile des „Volkskörpers“. Der Prozess endete im August 1947 mit sieben Todesurteilen, neun Gefängnisstrafen von zehn Jahren bis lebenslänglich und sieben Freisprüchen. Viele Mitwisser und Täter blieben jedoch unbehelligt.81
Die meisten Zwangssterilisierten und „Euthanasie“-Geschädigten erhielten nach 1945 keine angemessene Wiedergutmachung. Ihr Leid, ihre Traumatisierung und gesundheitlichen Schäden fanden kaum Beachtung. Bis heute wird ihre Stigmatisierung oft übersehen:82
 
Opfer von Gewalt, wie die scheinbar ungern gesehenen „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten, erleben oft eine fortdauernde Stigmatisierung. […] Ferner dauert die Stigmatisierung an, weil mit dem einmal in der Welt erschienenen Narrativ, dass es unwertes Leben gäbe, in den möglichen Objektbeziehungen der Mitglieder einer industrialisierten Gesellschaft vergleichende Abwertungsvorgänge einsetzen können. […] Wenn in einer Gesellschaft Vergleiche entworfen werden, dass manche weniger wert sind, wird auch dieses Konstrukt erst dadurch wahrnehmbar.83
 
Die nationalsozialistischen „Gesetze zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ von 1933 blieben in den westlichen Besatzungszonen weitgehend unangetastet, auch wenn Zwangssterilisationen nicht mehr durchgeführt wurden. In der sowjetischen Besatzungszone hob die Militärverwaltung das „nazistisches Gesetz“ bereits 1946 auf.84 Dennoch übernahmen beide deutsche Staaten die Urteile der „Erbgesundheitsgerichte“. Auch die Sozialämter der Bundesrepublik führten die vor 1945 angelegten Akten weiter. Diese menschenverachtenden Beurteilungen beeinflussten oft Entscheidungen der Sachbearbeiter und trugen dazu bei, dass das Unrecht und die Ausgrenzung von Behinderten und chronisch Kranken nach 1945 fortbestand:85 Sie wurden weiterhin als sozial auffällig, verarmt, krank oder behindert deklariert.86
Nach dem Krieg mussten die europäischen Gesellschaften ihre Sozialsysteme neu gestalten.87 Für Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen waren diese Veränderungen besonders bedeutsam. 

DDR

Die DDR sah sich nicht als Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches und lehnte materielle Leistungen für im Ausland lebende NS-Opfer ab.88 Wiedergutmachung verstand sie fast ausschließlich als Reparationsleistungen an die Sowjetunion. Nach dem Ende der Reparationszahlungen 1953 betrachtete die DDR ihre Verpflichtungen als erfüllt und verweigerte weitere Verhandlungen.89
Der Umgang mit chronischen Krankheiten und Behinderungen in der DDR war von Widersprüchen geprägt.90 Einerseits propagierte der Sozialismus Gleichheit, andererseits setzte er voraus, dass alle Menschen ähnliche Bedürfnisse haben. Menschen mit Behinderungen sollten in die „sozialistische Arbeitsgesellschaft“ integriert werden. Rehabilitation und berufliche Eingliederung standen im Mittelpunkt. Rehabilitationszentren und Polykliniken übernahmen die medizinische Versorgung eines zentral-staatlich kontrollierten Gesundheitswesens nach sowjetischem Vorbild91, während Spezialschulen behinderte Kinder auf das Berufsleben vorbereiteten. Dennoch blieben viele isoliert, da Barrierefreiheit und gesellschaftliche Akzeptanz begrenzt blieben:92
 
In der DDR war der Umgang mit Behinderung widersprüchlich. Einerseits waren im Sozialismus in der Theorie alle Menschen gleich. Niemand sollte benachteiligt sein. Andererseits setzte das sozialistische Gleichheitsversprechen voraus, dass die Mitglieder einer Gesellschaft im Grunde dieselben Bedürfnisse haben.93
 
Die DDR sah vor allem junge, gesunde Menschen als Norm. Wer davon abwich, konnte auf zahlreiche Barrieren stoßen. Die soziale Teilhabe Behinderter hing von medizinischen Diagnosen, staatlichen Vorgaben und dem sozialen Umfeld ab. In den ersten Jahren der DDR lebten viele Menschen mit Behinderungen in Heimen, Sonderschulen oder Kliniken.94 Dort wurden sie nicht gefördert, sondern versorgt und verwahrt – unter teils katastrophalen Bedingungen.95 Erst Ende der 1950er Jahre setzte ein Umdenken ein. Das Wirken von Interessenvertretungen und Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen über Rehabilitation führten zu neuen Gesetzen und Verordnungen, die die Teilhabe fördern sollten.96
Unter Erich Honecker erklärte die DDR die Verbesserung der Lebensbedingungen aller Bürger zum Ziel – auch für Menschen mit Behinderungen. Rehabilitation umfasste medizinische Maßnahmen, finanzielle Absicherung und soziale Eingliederung von Menschen mit Behinderung. Das Ministerium für Gesundheitswesen arbeitete dabei mit anderen Ressorts zusammen. 
Die Integration Behinderter ins sozialistische Kollektiv war auch wegen des Arbeitskräftemangels wichtig. Kinder mit Behinderungen besuchten meist Sonderschulen, die sie auf das Berufsleben vorbereiten sollten. Schwer kognitiv beeinträchtigte Kinder galten jedoch oft als „bildungsunfähig“ und wurden vom Schulbesuch ausgeschlossen. 
 
Die Integration behinderter Menschen ins sozialistische Kollektiv war nicht nur wegen des Arbeitskräftemangels in der DDR dringend nötig. Es sollte aus ihnen auch loyale Staatsbürger machen.97 Dies begann meist schon im Kindesalter: Kinder mit Behinderungen und dauerhaften Einschränkungen wurden in der Regel in Sonderschulen untergebracht und unterrichtet.98 Schwer kognitiv beeinträchtigte Kinder galten jedoch oft als „bildungsunfähig“ und wurden spätestens seit 1969 vom Schulbesuch ausgeschlossen. Teilweise erhielten sie eine Betreuung in Tagesstätten und Fördereinrichtungen des Gesundheitswesens. War das nicht möglich, mussten sie im Elternhaus verbleiben oder wurden in einem Heim untergebracht.99
Die Wege junger Menschen ins Berufsleben waren vielfältig und abhängig von der persönlichen Beeinträchtigung sowie dem damit verbundenen Bildungs- bzw. Förderweg. Gesellschaftliche Integration behinderter Erwachsener bedeutete in der DDR in erster Linie Teilhabe durch Arbeit. Ausgehend von politischen Vorgaben und wirtschaftlichen Erwägungen sollte Rehabilitation vor allem dazu dienen, die Arbeitsfähigkeit (wieder-)herzustellen und zu erhalten. In der DDR-Verfassung war das Recht auf Arbeit festgeschrieben. Daher verpflichtete der Staat seit den 1970er-Jahren etwa Betriebe, eine bestimmte Anzahl an Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Dies umfasste Einzelarbeitsplätze genauso wie ganze Abteilungen, auch Heimarbeit war möglich. Im Gegensatz zur Bundesrepublik unterlagen behinderte Beschäftigte in der DDR einem strikteren Kündigungsschutz und hatten zudem Anspruch auf eine Invalidenrente, zu der sie hinzuverdienen durften. Wer nicht arbeiten konnte, fand in Tagesstätten Betreuung. Dennoch blieben viele auf Heime angewiesen, die oft schlecht ausgestattet waren. Kirchliche Träger, unterstützt aus Westdeutschland, boten bessere Bedingungen. 
Die Wohnsituation Behinderter verbesserte sich nur langsam. Zwar sollten ab 1976 mehr behindertengerechte Wohnungen entstehen, doch blieb der Bedarf ungedeckt. Besonders schwerstbehinderte Menschen waren auf Angehörige angewiesen oder lebten dauerhaft in Heimen. Hier mangelte es oft Privatsphäre, Zuwendung und geschultem Personal.100 Gewalt und Vernachlässigung waren dort keine Seltenheit, auch wenn kirchliche Einrichtungen oft bessere Standards boten.101
Die kulturelle Teilhabe Behinderter war in der DDR nicht zentral organisiert. Kirchliche Träger und Einzelpersonen initiierten Freizeitangebote, die auch die Vernetzung und den Austausch unter Betroffenen ermöglichten. Klubs für Behinderte entstanden in größeren Städten. Urlaubs- und Kurangebote blieben lange Zeit nichtbehinderten Werktätigen vorbehalten, öffneten sich aber ab den 1970er Jahren langsam auch für Behinderte.102
Bis zum Ende der DDR verbesserten sich die Bedingungen für Bildung, Betreuung, Arbeit und Wohnen im Vergleich zur Nachkriegszeit. Gesetze und Verordnungen förderten die soziale Eingliederung. Aufklärungsarbeit in Literatur und Fernsehen warb für Empathie. Doch von echter Teilhabe und Selbstbestimmung blieben Behinderte weit entfernt. Die SED-Diktatur ließ keine unabhängigen Selbstvertretungen zu. Interessenverbände für Gehörlose und Blinde existierten zwar seit 1957, agierten aber politisch angepasst. 
 
Barrieren im privaten wie im öffentlichen Raum, ein Mangel an Fördermöglichkeiten, geschützten Arbeits- oder Betreuungsplätzen sowie behindertengerechtem Wohnraum, fehlende Ressourcen und Vorurteile erschwerten das Leben Behinderter und deren selbstbestimmte Teilhabe am DDR-Alltag. Gerade ihnen wurde das sozialistische Gleichheitsversprechen nicht gerecht. Besonders Schwerstbehinderte und Menschen mit Lernschwierigkeiten blieben benachteiligt. Während in Westdeutschland persönliche Assistenz ab den 1980er Jahren ein selbstständiges Leben ermöglichte, waren Betroffene in der DDR von ihrem Umfeld abhängig. Eigeninitiative war nur in engen Grenzen möglich. Informelle Gruppen, oft unter dem Dach der Kirche, boten Austausch und setzten sich für  grundsätzliche Verbesserungen und den Abbau von Barrieren und ein. Der Staat duldete sie, beobachtete sie aber auch, da sie ein Ventil für Unzufriedenheit boten, ohne das Regime grundsätzlich infrage zu stellen. 
 

BRD

In der Bundesrepublik Deutschland prägten die föderale Struktur und ein pluralistischer Sozialstaat den Umgang mit Behinderung. Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und Sozialämter förderten und unterstützten Menschen mit Behinderung, dauerhaften Einschränkungen und chronischen Krankheiten. Ein Schwerpunkt lag auf der Entwicklung von Förder- und Sonderschulen sowie Werkstätten für Menschen mit Behinderung.103
In den 1950er und 1960er Jahren entstanden die ersten Werkstätten, die Menschen mit Behinderung eine sinnvolle Beschäftigung und gesellschaftliche Teilhabe bieten sollten. Sie boten eine Alternative zur regulären Erwerbsarbeit, die oft unerreichbar blieb. 1974 verankerte das Schwerbehindertengesetz diese Werkstätten gesetzlich.104 Sie unterlagen strikten Vorgaben zur Betreuung und Förderung der Beschäftigten und boten auch therapeutische und soziale Leistungen, um die Teilhabe der Menschen mit Behinderung zu verbessern.
Eine zentrale Entwicklung war die Gründung von Berufsförderwerken ab den 1960er Jahren, die Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen für die berufliche Wiedereingliederung qualifizierten. Diese Einrichtungen arbeiteten eng mit Arbeitsämtern und sozialen Trägern zusammen und boten spezifische Schulungen und Umschulungsprogramme. Ein wichtiger Meilenstein war die Einbindung der Berufsförderwerke in das Sozialgesetzbuch IX, das die Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung betonte.105
Trotz der zentralen Rolle von Sonderschulen106, Werkstätten und Berufsförderwerken gab es Kritik. Sonderschulen galten oft als segregierend, und Werkstätten wurden als „Parallelwelten“ zum regulären Arbeitsmarkt wahrgenommen.107 In den letzten Jahrzehnten wuchs der Druck, diese Systeme zu reformieren, um den modernen Anforderungen an Inklusion und Teilhabe gerecht zu werden.108
In der Nachkriegszeit verstand die bundesdeutsche Behindertenpolitik Behinderung vor allem als individuelles Defizit in Bezug auf Erwerbsfähigkeit und Produktivität.109 Erwerbsarbeit als ideales Kompensations- und Eingliederungsinstrument sollte behinderten Menschen helfen, über ihr Schicksal hinwegzukommen. Behinderung wurde mit Leid gleichgesetzt, das kaum Raum für ein erfülltes Leben zu lassen schien, wenn nicht zumindest die Möglichkeit zur produktiven Tätigkeit bestand.110
Das Bundesministerium veröffentlichte 1958 eine Definition eines als behindert gelesenen Menschen:
 
Als behindert gilt ein Mensch, der entweder aufgrund angeborener Missbildung bzw. Beschädigung oder durch Verletzung oder Krankheit (...) eine angemessene Tätigkeit nicht ausüben kann. Er ist mehr oder minder leistungsgestört (lebensuntüchtig).“111
 
Viele Betroffene litten darunter, dass ihr Leben als kaum lebenswert bezeichnet wurde.112 Um Ansprüche vor Sozialleistungsträgern geltend zu machen, mussten sie sich der Legitimationskette „behindert – arm – hilfsbedürftig“ bedienen, was das defizitorientierte Denken über Behinderung reproduzierte. 
Im Zuge der Wirtschaftswunderjahre erweiterte die Bundesrepublik systematisch die Hilfen bei Behinderung. Der Rehabilitationsgedanke wurde gesetzlich verankert, etwa 1959 in der Rentenversicherung und 1974 in der Krankenversicherung. Die Bundesanstalt für Arbeit113 wurde zu einem wichtigen Rehabilitationsträger. Der westliche medizinische Fortschritt und Technologietransfer führten zu spezialisierten Kliniken und Rehabilitationseinrichtungen. 
Erst in den 1960er und 1970er Jahren öffneten Politik und Experten ihren Blick für andere Arten von Behinderungen. Die sozialliberale Bundesregierung setzte einen Reformprozess in Gang und kündigte ein „Jahrzehnt der Rehabilitation“ an.114 Willy Brandt sprach als erster Bundeskanzler die Situation von behinderten Menschen explizit an. Die Behindertenpolitik sollte von den Schlagworten „Demokratisierung“, „Lebensqualität“ und „Humanisierung“ geprägt werden. 
Gelang es, Menschen mit Behinderungen ein gleichberechtigtes Leben in der Gemeinschaft zu erschließen, hatte sich die demokratische Gesellschaft an ihnen bewiesen: „Die Qualität des Lebens für die Behinderten in unserer Gesellschaft ist ein Spiegel der Qualität der Gesellschaft“115, verkündete 1974 Bundesarbeitsminister Walter Arendt (SPD). Insbesondere über das Sozialleistungsrecht sollte „Chancengleichheit“ hergestellt werden.Da die skizzierten Ungleichheitslagen mit diesem Anspruch nicht mehr vereinbar waren, wurde 1974 mit einem Reformpaket, dessen Kern das Rehabilitationsangleichungsgesetz bildete, der Versuch unternommen, die finale Betrachtungsweise gesetzlich zu verankern. Die sozialen Ungleichheiten wurden zumindest ansatzweise begradigt, das gegliederte System blieb jedoch unangetastet. 
Reformbedürftig erschien auch die Beschränkung auf Wiederherstellung und Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Immer mehr Gremien forderten den Abbau von Hindernissen in der gebauten Umwelt. Behindertenpolitik sollte nicht mehr nur am Individuum, sondern gezielt an der Gesellschaft ansetzen. Zwar wurde das eigentliche Problem weiterhin in den „nicht normalen“ Körpern verortet, die Lösung schien nun jedoch darin zu bestehen, die Umwelt umzugestalten. Bislang hatte die Ansicht geherrscht, dass manche Menschen aufgrund ihres "Andersseins" naturgemäß an den "normalen" Bedingungen der Umwelt scheitern mussten. Demgegenüber klang nun in den 1970er Jahren vor allem in der Expertenschaft Kritik an dem an, was in der Gesellschaft als „normal“ galt. Alltägliche urbane Mobilitäts- und Flexibilitätsanforderungen wurden beispielsweise dafür kritisiert, dass sie weitgehend auf die begrenzte Gruppe von Menschen hin ausgerichtet seien, die beweglich, motorisiert und finanziell gut gestellt seien.116
Um Diversitätsfolgen zu kompensieren, förderte die Bundesregierung den Hindernisabbau ideell und materiell, konzentrierte sich jedoch vor allem auf zwei DIN-Normen zum hindernisfreien Bauen.117 Behinderung galt weiterhin als individuelles Problem, das mit instrumenteller Hilfe gelöst werden konnte und musste. Integration wurde als Bemühung verstanden.
Bereits in den 1950er und 1960er Jahren begannen Menschen mit Behinderungen, für sich selbst zu sprechen und sich für ihre Rechte einzusetzen. Sie gründeten Selbsthilfe- und Elternvereinigungen, die sich für eine bessere Förderung, Betreuung und Integration einsetzten. Die gesellschaftliche Aufbruchstimmung der späten 1960er und frühen 1970er Jahre beeinflusste auch die herangewachsenen Kinder der Vereinsgründer. Sie suchten nach Betätigungsfeldern außerhalb der von Eltern und Fachleuten dominierten Vereine.118 Die bekannteste dieser Bewegungen ist die 1958 gegründete ‚Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind‘.119 Über unterschiedlichste Selbsthilfe- und Aktionsbündnisse und die entstehende Emanzipationsbewegung steigerten sie ihre politische Sichtbarkeit als Behindertenbewegung und -vertretung:
 
Die gesellschaftliche Aufbruchstimmung der späten 1960er und frühen 1970er Jahre beeinflusste auch die inzwischen herangewachsenen Kinder der Vereinsgründer. Sie begannen nach Betätigungsfeldern außerhalb der von Eltern und Fachleuten dominierten Vereine zu suchen. 1968 gründete sich der „Club 68, der Vorläufer der „Clubs Behinderter und ihrer Freunde“ (Cebeef). In den Clubs trafen sich jüngere behinderte und nichtbehinderte Menschen, um in partnerschaftlichem Zusammenwirken Vorurteile abzubauen und gegenseitiges Verständnis zu fördern. […] doch zunehmend brachten sich die Clubs auf kommunalpolitischer Ebene ein, um Barrieren im Alltag abzubauen, von denen es Anfang der 1970er Jahre viele gab.120
 
Menschen mit Behinderungen wurde zunehmend klar, dass nicht ihr körperlicher Zustand für ihre Ausgrenzung verantwortlich war, sondern eine Gesellschaft, die sie ausgrenzte. Dagegen wollten und mussten sie sich zur Wehr setzen:121 Die „Krüppelgruppen“ entwickelten den „Krüppelstandpunkt“, der die Unterdrückung Behinderter als kulturelle Versklavung begriff. Sie strebten nicht die Partnerschaft mit Nichtbehinderten an, sondern Konfrontation.122 Der Begriff „Krüppel“ sollte die Distanz zwischen Behinderten und Nichtbehinderten klarer aufzeigen, verschleierte der Begriff „Behinderung“ doch die wahren gesellschaftlichen Zustände.123 Durch die Aussonderung in Heime, Sonderschulen oder Rehabilitationszentren würden „Behinderte“ möglichst unmündig und isoliert gehalten. 
Die Behinderten-Bewegung erlebte einen Höhepunkt in den Protesten gegen das International Year of Disabled Persons. Die Aktionsgruppe gegen das UNO-Jahr der Behinderten kritisierte die passive Rolle behinderter Menschen bei den Veranstaltungen. Das "Krüppeltribunal" in Dortmund klagte Menschenrechtsverletzungen in Dauerpflege-einrichtungen und Mobilitätsbeschränkungen an.124 
In der Folge des Protestjahres differenzierte sich die Emanzipationsbewegung aus. Auf lokaler Ebene engagierten sich viele im Abbau von Alltagshindernissen und verschafften sich schrittweise Zugang zur Kommunalpolitik. 
Nach der aktionsgeladenen Anfangszeit ging es in den folgenden Jahren um die Verbesserung der Lebensbedingungen behinderter Menschen. Dies erfolgte vor allem durch Schaffung von Infrastrukturen wie ambulanten Diensten und Möglichkeiten der politischen Selbstvertretung: Einer der ersten ambulanten Hilfsdienste nahm 1978 in München seine Arbeit auf. Dadurch erhielten Behinderte erstmals die Möglichkeit, ‚Helfer‘ zur selbstbestimmten Gestaltung ihres Alltags einzusetzen. Infolgedessen entstanden an vielen Orten der Bundesrepublik ambulante Hilfsdienste, viele von Behinderten selbst initiiert und geleitet. Darauf aufbauend wurde Ende der 1980er Jahre das „Konzept der Persönlichen Assistenz“ in Deutschland eingeführt und z. B. in den Assistenzgenossenschaften umgesetzt. 
Parallel zum Aufbau der Ambulanten Dienste wurde ein großer Bedarf an Beratung offensichtlich. Auf die an manchen Orten bereits vorhandene Idee der Beratung Behinderter durch Behinderte traf 1982 das angloamerikanische Konzept des „Independent Livings“, das in Deutschland als „Selbstbestimmt Leben“ Verbreitung fand. Im November 1986 wurde in Bremen „Selbstbestimmt Leben“ erstmalig eröffnet – die erste von mittlerweile über zwanzig Beratungsstellen bzw. Zentren für Selbstbestimmtes Leben. Dort wird einerseits behinderten Menschen ganz konkret geholfen, andererseits soll durch politische Aktivitäten die Situation für alle Behinderten verbessert werden. 
Als „Experten ihrer selbst“ erreichten behinderte Menschen jedoch die wissenschaftlichen Foren selten. Dennoch wurde im wissenschaftlichen Behindertendiskurs die hegemoniale Stellung der Ärzte durchbrochen: Vor allem Sozialwissenschaftler, die Behinderung als Forschungsgegenstand für sich entdeckten, schufen Gegengewichte zur individuell-medizinischen Erklärung von Behinderung. 
 
Sowohl in der BRD als auch in der DDR gab es Fortschritte und Rückschläge im Umgang mit Krankheit und Behinderung: Die BRD entwickelte über die Jahrzehnte hinweg ein stärkeres Bewusstsein für die berufliche Eingliederung von Menschen mit Behinderung und deren Rechte, während die DDR trotz ihrer umfassenden Versorgung oft an einer realisierbaren Inklusion scheiterte.125 In der DDR wurde Inklusion zentralistisch gesteuert, während die BRD ein stärker pluralistisches System aufwies.126
Die gesellschaftliche Akzeptanz und die infrastrukturellen Bedingungen für Menschen mit Behinderung blieben jedoch in beiden Staaten unzureichend. Erst mit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden Bemühungen unternommen, die Systeme zu harmonisieren und inklusivere Strukturen zu schaffen.127

Nachwendezeit

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden die sozialen Systeme harmonisiert. Viele Prinzipien der BRD wurden übernommen, aber auch einige gute Praktiken aus der DDR beibehalten. Diese gesamtgesellschaftlichen Umwälzungen bedeuteten für viele Menschen mit Behinderungen aus der früheren DDR einen großen Einschnitt. Es kam nicht nur zu Umstellungen und Verbesserungen in der medizinischen Versorgung, sondern auch zu – teils dramatischen – Veränderungen im Bereich der sozialen Teilhabe. Negativ war, vor allem für behinderte Frauen, das Ende der geschützten Arbeit. Hohe Arbeitslosenquoten innerhalb der ostdeutschen Gesellschaft – vor allem von Menschen mit Behinderungen – waren die Folge einer nun privatwirtschaftlich funktionierenden Gesellschaft.
Die gesamtgesellschaftlichen Umstellungen führten aber auch zu Veränderungen im Bereich der sozialen Teilhabe. Positiv wirkten der Ausbau von Integrationsangeboten und die Neugründungen von Interessenvertretungen und Selbstorganisationen, die sich bis heute durch basisdemokratisches Engagement für die Rechte behinderter Menschen und eine inklusive Gesellschaft einsetzen. So erreichten die in den 1970er Jahren aktiv gewesenen „Krüppelbewegungen“ letztlich, dass 1994 das Verbot der Benachteiligung aufgrund von Behinderung im Grundgesetz verankert wurde. 
Es folgten weitere Gesetzesänderungen, die Menschen mit Behinderungen mehr Rechte einräumten. Auch Menschen mit Lernschwierigkeiten vereinigten sich für ein selbstbestimmtes Leben im Netzwerk „Mensch zuerst“. 

2000er Jahre

Allmählich setzte sich die Perspektive durch, dass es vor allem die Gesellschaft selbst sei, die Menschen behindert. Die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sollte in Deutschland ab 2002 das Bundesgleichstellungsgesetz gewährleisten, auf internationaler Ebene seit 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention:

In der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist der Begriff der Partizipation von zentraler Bedeutung. Deutschland hat den Begriff in seiner amtlichen Übersetzung mit dem    Wort Teilhabe nur unzureichend übersetzt – dabei ist Partizipation viel mehr als nur Teilhabe. Richtig übersetzt bedeutet dieser Mitgestaltung, Mitbestimmung, Mitsprache.128
Begriffe wie ‚Inklusion‘ und ‚Integration‘ gewannen neben dem Aspekt der ganzheitlichen Partizipation behinderter Menschen an Bedeutung. ‚Inklusion‘ fördert menschliche Vielfalt, indem Menschen mit Behinderung Zugang zu öffentlichen Einrichtungen haben. 
Ein weiterer wichtiger Schritt, um die gesellschaftliche Position von Menschen mit dauerhaften psychischen und psychischen Einschränkungen zu stärken, besteht in der aktiven Umsetzung des Konzepts des ‚Empowerment‘: 
 
Das Wort Empowerment entstammt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt »Ermächtigung« oder »Befähigung«. Das Konzept steht in enger Verbindung zu den Bürgerrechtsbewegungen der 1960er Jahre, der Frauen- und Independent-Living-Bewegung    im Protest gegen Unterdrückung und Fremdbestimmung. Empowerment meint die Stärkung, Aktivierung und (Wieder-)Entdeckung der eigenen Fähigkeiten, Stärken und Kräfte mit dem Ziel, das eigene Leben selbstbestimmt und selbstverantwortlich zu führen und die persönlichen Interessen selbst zu vertreten.129
 
Ein zentraler Punkt in den heutigen Debatten über die Rechte von Menschen mit Behinderung betrifft die Entschädigungspolitik für Zwangssterilisierte und Opfer der NS-„Euthanasie“.130 Noch immer kämpfen Betroffene und ihre Angehörigen um Anerkennung und Entschädigung, da sie nicht als NS-Verfolgte gelten und anderen Opfergruppen des Regimes nicht gleichgestellt sind. Dies geschieht trotz historischer Analysen, die den rassistischen Charakter des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ eindeutig belegen.131
Die Opfer von Zwangssterilisation und „Euthanasie“ blieben im Bundesentschädigungsgesetz (BEG) weitgehend unberücksichtigt: 
 
Sie Opfergruppe der Zwangssterilisierten wurde fast ausnahmslos aus dem BEG ausgeschlossen, da diese zum größten Teil aufgrund von Erbgesundheitsgerichtsbeschlüssen zwangssterilisiert worden waren. Zwangssterilisationen aufgrund dieser Beschlüsse wurden nicht als rassistische Verfolgung im BEG anerkannt. So konnten die Opfer keinen Anspruch nach dem BEG geltend machen. Eine Möglichkeit zur Entschädigung bestand für sie erst seit 1980. Die Kinder der im Verlauf der „Euthanasie“ ermordeten Opfer haben erst seit 2002 die Möglichkeit, eine sogenannte Einmalzahlung zu erhalten. Bis dahin waren auch sie – bis auf ganz wenige Ausnahmen – von der einer Entschädigung ausgeschlossen.132
 
Am 24. Mai 2007 erreichte der „Bund der ‚Euthanasie‘-Geschädigten und Zwangssterilisierten“ (BEZ), dass der Bundestag die nationalsozialistischen „Gesetze zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ als von Anfang an grundgesetzwidrig und damit ungültig erklärte:
 
 Es dauerte jedoch Jahrzehnte, bis die Bundesrepublik Deutschland den Opfern der NS-„Euthanasie“-Morde öffentlich gedachte. Die Ermordung kranker und behinderter Menschen, verharmlosend als „Euthanasie“ bezeichnet, war ein zentraler Bestandteil der nationalsozialistischen Rassenideologie. Erst im November 2011 beschloss der Bundestag, den etwa 300.000 Opfern dieser Verbrechen an der Berliner Tiergartenstraße, dem historischen Ort der „Aktion T4“, einen Gedenkort zu widmen. Dieser wurde im September 2014 eingeweiht. 
 
Es hat sehr lange gedauert, bis in der Bundesrepublik Deutschland dem Gedenken an die Opfer der NS- „Euthanasie“-Morde öffentlich Raum gegeben wurde. Die Ermordung kranker und behinderter Menschen, insbesondere die sogenannte Vernichtung lebensunwerten Lebens, – bewusst verharmlosend als „Euthanasie“ bezeichnet –, war Teil der nationalsozialistischen Rassenideologie. Erst im November 2011 fasste der Deutsche Bundestag den Beschluss, den ca. 300.000 Opfern dieser NS-Verbrechen auch am historischen Ort der Täter in der Berliner Tiergartenstraße (Aktion T4) einen sichtbaren Gedenkort bereit zu stellen, der im September 2014 eingeweiht werden konnte.133
 
Angesichts der umfassenden Beteiligung staatlicher und kirchlicher Einrichtungen sowie von Ärzten und Pflegepersonal an der NS-Gesundheitspolitik und den damit verbundenen Verbrechen an Kranken, KZ-Häftlingen, Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma sowie anderen Verfolgten fordert der Bundestag zügiges Handeln:
 
Der Deutsche Bundestag bekräftigt, dass die ca. 300.000 Opfer der NS-„Euthanasie“ und die ca. 400.000 Opfer von Zwangssterilisation als Verfolgte des NS-Regimes an-erkannt werden und die gegen sie gerichteten Verfolgungsmaßnahmen allesamt typisches NS-Unrecht waren. Die über das Bundesentschädigungsgesetz erfolgten Ausschlüsse ganzer Opfergruppen aus der Anerkennung als NS-Verfolgte haben keinerlei Gültigkeit mehr.134
 
Die Arbeitsgemeinschaft Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten (AG BEZ) setzt sich für die Rehabilitation und Entschädigung der Betroffenen ein. Viele Opfer mussten Jahrzehnte auf Entschädigungsleistungen warten. Zum 31. Dezember 2022 lebten noch 29 entschädigungsberechtigte Zwangssterilisierte und ein „Euthanasie“-Geschädigter. Ende 2021 waren es noch 36 Zwangssterilisierte.135
 
Am 6. November 2019 forderte die Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V., Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, offiziell als NS-Verfolgte anzuerkennen.136 Sie wies darauf hin, dass viele Betroffene bis heute unter den Folgen der NS-Zeit leiden. Zu den möglichen Folgen derartiger zeitgeschichtlicher Erfahrungen wurden für die Jahrgänge 1928 bis 1945 unter anderem Angsterkrankungen, Depressionen, psychosomatische Störungen, Beziehungsprobleme und posttraumatische Belastungsstörungen festgestellt.137 Ulla Schmidt, Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und frühere Bundesgesundheitsministerin, bedauerte, dass diese Anerkennung noch immer aussteht. In einer Stellungnahme vor dem Bundestagsausschuss für Kultur und Medien am 26. September 2022 betonte sie die Notwendigkeit, das Unrecht aufzuarbeiten, die Gedenkstättenarbeit angemessen zu finanzieren und Menschen mit Behinderung als Verfolgte des Naziregimes endlich anzuerkennen: 
 
„Aus meiner Sicht ist es sinnvoll und notwendig, die Aufarbeitung des Unrechts und die Förderung der Gedenkstättenarbeit angemessen zu finanzieren. Bisher sind Menschen mit Behinderung nicht als Verfolgte des Naziregimes anerkannt. Dies bedaure ich sehr, da aus meiner Sicht ein solcher Schritt eine notwendige Anerkennung des Leids und der Verbrechen an dieser Gruppe wäre. Gerade die Tatsache, dass dieses Leid auch von Organisationen und Einrichtungen ermöglicht wurden, die die Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung als Aufgabe hatten, ist besonders perfide. Dort, wo man betreut und versorgt wird, muss man sich sicher fühlen und vor Bedrohungen geschützt sein. Viele Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie haben inzwischen ihre dunkle Geschichte in den Zeiten des NS-Regimes aufgearbeitet und dokumentiert. Viele dieser Einrichtungen und Organisationen tragen so zu einer lebendigen Erinnerungskultur bei. Dennoch bleibt es staatliche Verpflichtung, das Gedenken an die Opfer wach zu halten und ihrer Ausgrenzung entgegenzutreten. [...].“138

Zeitzeugenberichte und Erinnerungen von Betroffenen oder Angehörigen gelten als besonders authentisch und können eine emotionale Betroffenheit auslösen, die zu größerer Sensibilität und Engagement für die Belange von Menschen mit Behinderung führt. Die historische Einordnung dieses Textes soll dazu anregen, aus der Vergangenheit zu lernen und die Lebensbedingungen sowie Rechte von Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen zu verbessern. Ziel ist es, sie künftig besser vor Diskriminierung und Gewalt zu schützen, indem der Fokus auf die Optimierung ihrer Lebensbedingungen und Rechte von Menschen mit Behinderung oder/und chronischen Krankheiten bzw. Beeinträchtigungen gelegt wird. 


Endnoten

  1. Linton, Simi: Claiming Disability. Knowledge and Identity. New York 1998, S. 4.
  2. Zitat Dederich, Markus: „Erstmals verwendet wurde der Begriff ‚Behinderung‘ im Zusammenhang mit der ‚Krüppelfürsorge‘ für Körperbehinderte im frühen 20. Jahrhundert. Hier taucht er als deskriptiver Begriff auf, ohne sich allerdings durchzusetzen. […] Erst Ende der 1960er Jahre setzt sich der Begriff durch, indem er „nicht nur zu einem Grundbegriff der Heilpädagogik avanciert, sondern auch im Bildungssystem allgemein ebenso wie im Rechtssystem, im Gesundheitssystem, im System sozialer Sicherung usw. eine herausragende Bedeutung als abstrakte Generalisierung erlangt“ (Lindmeier 1993, 28). Ein wichtiger Schritt zu seiner Etablierung war seine Festschreibung im Bundessozialhilfegesetz von 1961. Neben seiner sozialrechtlichen Bedeutung war er bis in die 1970er Jahre hinein ein fast durchgängig medizinisch grundierter, recht unspezifischer Oberbegriff, der körperliche Schädigungen, Pathologien und Anomalien, Defizite und Dysfunktionen kennzeichnete. […] Zu den Kernthemen dieser in den 1970er Jahren stark durch soziologisches Denken beeinflussten Diskussion gehörte eine kritische Auseinandersetzung mit dem Behinderungsbegriff. Hierbei ging es im Wesentlichen um die Zurückweisung individualisierender, einseitig medizinisch oder psychologisch orientierter, Defekte, Mängel und Abweichungen fokussierender Sichtweisen von Behinderung. Diese Kritik wurde von unterschiedlichen Personen und Gruppen formuliert: Von Aktivistinnen und Aktivisten der Behindertenbewegung, Eltern behinderter Kinder, die sich für eine integrative Beschulung einsetzten, Sozialwissenschaftlern sowie Vertretern der Behindertenpädagogik. Insbesondere durch die emanzipatorisch orientierte Kritik der Behindertenbewegung hat sich die Blickrichtung entscheidend verändert. War der Diskurs bis dahin überwiegend als paternalistischer Fachdiskurs von Experten über eine heterogene Personengruppe geführt worden, die den Gegenstand ihrer Disziplin bildeten, so meldeten sich nun diese Gruppen als betroffene Menschen selbst zu Wort. Für sie ist Behinderung kein „neutraler Sachverhalt, sondern ein zentrales Daseinsthema“ (Gröschke 2007, 109). Durch diesen Wechsel von der fachlich ausgerichteten Beobachterperspektive hin zu einer Betroffenenperspektive wird Behinderung als subjektive und existenziell erfahrene Tatsache sichtbar, die das Individuum auf „seinen prekären Status in der Gesellschaft“ (ebd.) verweist, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 16ff.; Disability History erforscht, wie und in welchen sozialen und kulturellen Kontexten Menschen auf der Basis bestimmter körperlicher, psychischer oder mentaler Merkmale den Kategorien "behindert" und "normal" zugeordnet werden.
  3. Vgl. Prosetzky, Ingolf: Art. ‚Isolation und Partizipation, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 87 – 95; Vgl. Zimpel, André Frank: Art. ‚Isolation‘, in: Dies., S. 188 – 192.
  4. Dabei tritt Behinderung nicht als zu beschreibender Sachverhalt, sondern als herausfordender Problemtitel auf, der unter historischen, sozialen, gesellschaftlichen und politischen, ökonomischen, pädagogischen und psychologischen Gesichtspunkten untersucht und auf seine wirklichkeitsmächtigen Implikationen und Folgen hin befragt wird. Ohne medizinische Aspekte zu leugnen wird Behinderung vor allem historisch kontextualisiert und als soziale Konstruktion, als Ausdruck ökonomischer und institutioneller Wirklichkeiten, ebenso als Deutungs- und Sinnphänomen verstanden. Zitat: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang: Vorwort, in: Dies. (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 9.
  5. www.arte.tv/de/videos/106527-035-A/27-das-europaeische-magazin/ (letzter Zugriff am: 04.06.2024)
  6. Vgl., Oliver, Mike: Disability Politics: Understanding Our Past, Changing Our Future. London 1996.
  7. Vgl., Waldschmidt, Anne: Art. ‚Disability Studies‘, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 125 – 133.
  8. Vgl., Schildmann, Ulrike: Art. ‚Normalität‘, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 204 – 208.
  9. Vgl., Mattner, Dieter: Behinderte Menschen in der Gesellschaft – Zwischen Ausgrenzung und Integration. Stuttgart 2000, S. 16; Prosetzky, Ingolf: Art. ‚Isolation und Partizipation‘, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 87 – 95.
  10. Amenemope, zit. nach Fischer-Elfert, in: Müller, Klaus E.: „Der Krüppel – Ethnologia passionis humanae“. München 1996, S. 93; in Mattner 2000, 16f.
  11. Omen-Übersetzung; zit. nach Meyer 1983, 86; in Mattner 2000, S. 18.
  12. Mattner, S. 17f.
  13. Platon; zit. nach Meyer 1983, 87; in Mattner 2000, S. 19.
  14. Vgl. Müller 1996, 49; Mattner 2000, S. 18f.
  15. Vgl.Plutarch; zit. in Müller 1996, S. 49.
  16. Vgl. Müller 1996, S. 49; Mattner 2000, S. 18
  17. Vgl. Mattner 2000, S. 20.
  18. Vgl. Müller 1996, S. 49f.
  19. Vgl. Müller 1996, S. 50; Mattner 2000, S. 21f.
  20. Vgl. Müller 1996, S. 50.
  21. Vgl. Mattner 2000, S. 22f.; Foucault, Michel: Die Geburt der Klinik: Eine Archäologie des ärztlichen Blicks. Frankfurt am Main 1978, S. 138.
  22. Vgl. Mattner 2000, S. 23f.
  23. Vgl. ebd., S. 25f.
  24. Vgl. Cloerkes, Günther: Art. ‚Stigma/Vorurteil‘, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 208 – 212.
  25. Brückner, Burkhart: Geschichte der Psychatrie. Köln 2015, S. 73.
  26. Foucault, Michel: Wahnsinn und Gesellschaft: eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft. Frankfurt am Main 1969.
  27. Vgl. Mattner 2000, S. 25; Der Wahnsinn, der in der Renaissance noch als Ausdruck einer spezifischen, teilweise sogar kreativen Andersartigkeit betrachtet wurde, wurde im 17. und 18. Jahrhundert zunehmend pathologisiert und mit Ausschlusspraktiken beantwortet. Diese Entwicklungen fanden ihren institutionellen Ausdruck in der Errichtung von Hospizen und anderen Einrichtungen, in denen „Wahnsinnige“ von der Gesellschaft isoliert wurden. Foucault bezeichnet diesen Prozess als „Große Einschließung“ (le grand enfermement).
  28. Vgl. Kamper, Dietmar: Art. ‚Körper‘, in: Wulf, Christoph (Hrsg.): Vom Menschen. Handbuch Historische Anthropologie. Weinheim und Basel 1997, S. 409; Kamper, Dietmar: Tod des Körpers – Leben der Sprache. Über die Intervention des Imaginären im Zivilisationsprozess, in: Gebauer, Gunter: Historische Anthropologie. Reinbek 1989.
  29. Foucaults Analysen haben die wissenschaftliche Diskussion über die Psychiatrie, Macht und Körper nachhaltig beeinflusst. Seine Theorien wurden von zahlreichen Disziplinen aufgegriffen, darunter Soziologie, Geschichtswissenschaft, Philosophie und Medizinethik. Kritiker werfen ihm jedoch vor, historische und empirische Details manchmal zugunsten theoretischer Kohärenz zu vernachlässigen. Dennoch bleibt Foucaults Werk ein unverzichtbarer Ausgangspunkt für das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Institutionen, Macht und Subjektivität.
  30. Vgl. Brückner 2015, S. 73.
  31. Vgl. Niedecken, Dietmut: Art. ‚Behinderung/Institution‘, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 212 – 217.
  32. Vgl. Brückner, S. 73.
  33. Jansen, Gerd W.:  Die Einstellung der Gesellschaft zu Körperbehinderten. Eine psychologische Analyse zwischenmenschlicher Beziehungen aufgrund empirischer Untersuchungen. Neuburgweiler 19742; Jantzen, Wolfgang: Sozialisation und Behinderung. Studien zu sozialwissenschaftlichen Grundfragen der Behindertenpädagogik. Gießen 1974.
  34. Auch die zumeist konfessionellen Einrichtungen der sogenannten Krüppelfürsorge begannen um 1900, ihre traditionellen Kernaufgaben der Seelsorge, Erziehung und Dauerpflege von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen um medizinische Therapie und berufsvorbereitende Maßnahmen zu ergänzen. Im Ersten Weltkrieg schließlich hielt das Rehabilitationsparadigma aufgrund des Massenphänomens der Kriegsbeschädigung auch im staatlichen Versorgungswesen Einzug.
  35. Aus dem Englischen: „moral treatment“.
  36. Dieser revolutionäre Ansatz geht vor allem zurück auf die Arbeiten des Franzosen Philippe Pinel und des Engländers William Tuke. Tuke gründete 1796 beispielweise das The Retreat, in der Nähe von York in Nordengland, als "Rückzugsort" für geisteskranke Mitglieder der Gesellschaft der Freunde (Quäker). Es wurde nach humanen und aufgeklärten Grundsätzen eingerichtet. Sein mildes Regime stand in krassem Gegensatz zur Behandlung anderswo, und mit der Zeit wurde die "moralische Behandlung" der Patienten in ganz England übernommen, angefangen in den späten 1830er Jahren im Hanwell Asylum.
  37. Dorothea Lynde Dix (1802-1887) war eine US-amerikanische Wohltäterin. Sie stieß Reformen im Gesundheitswesen für psychisch Kranke an, zunächst in den USA, später in Europa. Auf ihr Betreiben wurden zwischen 1840 und 1860 zahlreiche Nervenheilanstalten gegründet; Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Dorothea_Lynde_Dix [letzter Zugriff am: 22.05.2024]
  38. Vgl., Anm. 23: Cloerkes, Günther: Art. ‚Stigma/Vorurteil‘.
  39. Mattner 2000., S. 28f.
  40. Ebd., S. 29.
  41. Müller 1996, S. 52.
  42. Darwin 1871-1872, I, S. 146; zit. in Müller 1996, S. 52.
  43. Vgl. Müller 1996, S. 52f.
  44. Vgl., S. Hoßfeld, Uwe: Sonderwege im 20. Jahrhundert: Sozialdarwinismus, Eugenik, Rassenhygiene und Rassenkunde, in: Ders.: Biologogie und Politik. Die Herkunft des Menschen. Erfurt 2017, 47f.
  45. Zit. Ebd., S. 48f.
  46. Vgl. Burleigh, Michael: Tod und Erlösung. Euthanasie in Deutschland 1900-1945. Zürich, München 2002.
  47. Vgl. Schmuhl, Hans-Walter: Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie – Von der Verhütung zur Vernichtung „lebensunwerten Lebens“. Göttingen 1997; Wunder, Michael: Art. ‚Euthansie‘, in: S. 288 – 293.
  48. Vgl. Trus, Armin: Die Radikalisierung im Umgang mit „lebensunwertem Leben“ während des Nationalsozialismus, in: Ders.: Die „Reinigung des Volkskörpers“. Eugenik und „Euthanasie“ im Nationalsozialismus. Berlin 2019, S. 82ff; vgl. auch: Wunder, Michael: Art. ‚Euthanasie‘, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 288 – 293; Israng, Christoph: Vorwort des Botschafters der Bundes Republik Deutschland in der Tschechischen Republik, in: Milfait, René (Hrsg.): NS-„Euthanasie“. Lebensunwertes Leben versus unantastbare Menschenwürde. Taus 2020, S. 15.
  49. Zitat aus der Buchbeschreibung: Herzog, Dagmaer: Eugenische Phantasmen: eine deutsche Geschichte. Berlin 2024.   
  50. Polten, Lars: Zusammenführung – Wege zu Sterilisation und Ermordung, in: Ders.: Zwangssterilisation und Euthanasie im Erzählen und Erinnern. Biographische Interviews mit Betroffenen und Angehörigen. Münster, New York 2020, S. 303Ff; Vgl. auch: Braß, Christoph: Zwangssterilisation und „Euthanasie“ im Saarland 1933 – 1945. Paderborn, München 2004; Bock, Gisela: Zwangssterilisation im Nationalsozialismus. Studien zur Rassenpolitik und Geschlechterpolitik. Münster 2010.
  51. Ebd., Zit. Polten, S. 356.
  52. Zit. Wildt, Michael: Art. Volksgemeinschaft (Absatz „Euthanasie), in: Geschichte des Nationalsozialismus. Göttingen 2008, S. 132; Vgl. Klee, Ernst: „Euthanasie“ im NS-Staat. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Frankfurt am Main 1983, S. 77.
  53. Vgl., Hoßfeld, Uwe: Sonderwege im 20. Jahrhundert. Sozialdarwinismus, Eugenik, Rassenhygiene und Rassenkunde, in: Ders: Biologie und Politik. Die Herkunft des Menschen. Erfurt 2017, S. 47 - 58; vgl. auch: Wunder, Michael: Art. ‚Eugenik‘, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 284 – 288; vgl. auch: Trus, Armin: Entstehung und Entwicklung der Eugenik und Rassenhygiene, in: Ders.: Die „Reinigung des Volkskörpers“. Eugenik und „Euthanasie“ im Nationalsozialismus. Berlin 2019, S. 38 – 54.
  54. Vgl. Kötschau, Karl: Krankenhaus und Gesundungshaus, in: Deutsches Ärzteblatt 66, 1936, S. 809.
  55. Vgl. Mattner2000, S. 54f.
  56. Joseph Arthur de Gobineau oder Joseph Arthur, comte de Gobineau war ein französischer Dipomat, Schriftsteller und Rassenideologe. Seine allgemeine Bekanntheit verdankt er dem Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen (Essai sur l’inégalité des races humaines, 1853–1855).
  57. Houston Stewart Chamberlain war ein englisch-deutscher Schriftsteller. Chamberlain, der in französischer und deutscher Sprache schrieb, war Verfasser zahlreicher populärwissenschaftlicher Werke, unter anderem zu Richard Wagner, Immanuel Kant und Johann Wolfgang von Goethe, mit pangermanischer und antisemitischer Einstellung. Sein bekanntestes Werk ist Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts (1899), das zu einem Standardwerk des rassistischen und ideologischen Antisemitismus in Deutschland avancierte.
  58. Rosenberg 1930, S. 577; zit. in Mattner 2000, S. 56.
  59. Mattner 2000, S. 57.
  60. Vgl. ebd.
  61. Karl Kötschau: Antrittsrede zum neuerrichteten Lehrstuhl für „Biologische Medizin“ an der Universität Jena. Gehalten am 2. Juni 1934.
  62. Jantzen, Wolfgang: Art. ‚Rassismus‘, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 226 – 233, hier: S. 230.
  63. Zit. In: Dederich: „Erst Ende des 19. Jahrhunderts wird der Begriff Euthanasie in Zusammenhang mit der Tötung schwerkranker Menschen
  64. Friedlander, Henry: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung. Berlin 1997.
  65. Klee, Ernst: "Euthanasie" im NS-Staat. Die "Vernichtung lebensunwerten Lebens". Frankfurt am Main 2010.
  66. Baumert, Susan: Beredtes Schweigen – ein multidisziplinäres Bildungsprojekt zur Aufarbeitung der NS-Eugenikverbrechen und ihrer Folgen. Ein Gespräch mit den Initiator*innen und Projektpartner*innen, in: Zeitschrift für Sozialmanagement: Innovation und Nachhaltigkeit. Impulse für die Gemeinwohlwirtschaft. Bd. 2, Nr. 2. Weimar 2003, S. 81-95, hier: S. 90.
  67. Zit. Wildt (2008), S. 132: „Im kleinen Kreis bereiteten die Funktionäre der „Führerkanzlei“ zusammen mit Ärzten mit rasanter Vehemenz die Morde an Kindern vor, gründeten zur Tarnung des Unternehmens den „Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“, der seinen Sitz in Berlin, Tiergarten 4 hatte, weswegen die Euthanasiemorde unter der Chiffre „T 4“ geplant wurden.“
  68. So erklärte beispielsweise der Bioethiker Peter Singer, den Fötus zur „Unperson“. Der Molekularbiologe und Nobelpreisträger Francis Crick stufte ein „geistig behindertes Spastikerkind“ als „Nicht-Existenz“ ein, so dass hierbei von einem „Behinderten-Rassismus“ gesprochen werden sollte; vgl. Jantzen, Wolfgang: Art. ‚Rassismus‘, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 226 – 233, hier: S. 231.
  69. Siehe auch unter dem Begriff „Kinderaktion“ und „Kindereuthanasie“; vgl., Zimmermann, Susanne (Hrsg.): Überweisung in den Tod. Nationalsozialistische „Kindereuthanasie“ in Thüringen. Erfurt 2005.
  70. Vgl. Tabellarische Auflistung der Sterbefälle im Bad Blankenburger Anna-Luisen-Stift von 1901 bis 1945. Erstellt durch Babette Köster – April 2023, in: Sammlung Anna-Luisen-Stift: Hier wurden 193 Säuglinge, Kleinkinder und Kinder in den Jahren zwischen 1933 und 1945 grausam zu Tode gequält und  geschlagen; sie verhungerten und verbluteten; vgl. auch: www.beredtes-schweigen.de/orte/anna-luisen-stift [letzter Zugriff am: 04.06.2024] sowie: de.wikipedia.org/wiki/Anna-Luisen-Stift_(Bad_Blankenburg) [letzter Zugriff am: 04.06.2024].
  71. Vgl. Nielsen, Jens / Freienstein, Kirsten: Schweigepflicht. Dr. Waldemar Freienstein. Ein Thüringer Arzt im Nationalsozialismus. Arnstadt 2021.
  72. Zimmermann, Susanne (Hrsg.): Überweisung in den Tod. Nationalsozialistische „Kindereuthanasie“ in Thüringen, in: Quellen zur Geschichte Thüringens. Erfurt 2005; vgl. auch: Benzenhöfer, Udo: Kindereuthanasie in der NS-Zeit unter besonderer Berücksichtigung von Reichsausschussverfahren und Kinderfachabteilungen. Ulm 2020.
  73. Sandner, Peter: Verwaltung des Verbrechens: Die Nationalsozialistische "Euthanasie"-Aktion T4. Frankfurt am Main 2003.
  74. Zit. Analyse der KD Stadtroda der Staatssicherheit der DDR (27. August 1965), in: Zimmermann, Susanne (Hrsg.): Überweisung in den Tod. Nationalsozialistische „Kindereuthanasie“ in Thüringen, in: Quellen zur Geschichte Thüringens. Erfurt 2005, S. 65.
  75. Roelcke, Volker: Medizin und Verbrechen. Der Doppelte Hippokratische Eid im Nationalsozialismus. Göttingen 2020.
  76. Wunder, Michael: Art. Euthanasie S. 290
  77. Schneider, Burkhard: Psychiatrie im Dritten Reich. Entwicklung und Täterschaft in Thüringen. Jena 2002.
  78. Das Thema Euthanasie / Zwangssterilisierung ist auch verknüpft mit anderen Themen der Bioethik, wie Humangenetik, Eugenik, Sterbehilfe, Forschung an Nichteinwilligungsfähigen etc. Umfangreiche Informationen hierzu sind auf dem Bioethik-Infoportal www.kritische-bioethik.de der Interessen-Gemeinschaft Kritische Bioethik Deutschland sowie auf deren eigenen Sonderportal www.sterbehilfe-debatte.de zu den Themen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, menschenwürdige Pflege, Palliativmedizin, Sterbebegleitung, Hospizarbeit contra Sterbehilfe, Euthanasie abrufbar.
  79. Zit, Wildt (2008), S. 208: „Dass jedoch erstmals der Straftatbestand „crimes against humanity“ vor einem internationalen Gericht verhandelt wurde, war in der Tat neu und sollte die völkerrechtliche Ahndung von Menschenrechtsverletzungen in den kommenden Jahrzehnten nachhaltig beeinflussen.“
  80. Vgl. Frewer, Andreas: Medizingeschichte, Ethik und Menschenrechte. Vom Nürnberger Ärzteprozess zum Genfer Gelöbnis, in: MRM – MenschenRechtsMagazin, Heft 2 / 2008, S. 142 – 154.
  81. Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora (Hrsg.): "Euthanasie"-Verbrechen im Nationalsozialismus. Weimar 2004.
  82. Zitat, in: Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Nicole Gohlke, Gökay Akbulut, Matthias W. Birkwald, Clara Bünger, Anke Domscheit-Berg, Susanne Ferschl, Ates Gürpinar, Dr. André Hahn, Ina Latendorf, Pascal Meiser, Petra Pau, Sören Pellmann, Heidi Reichinnek, Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Jessica Tatti, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE. Opfer von NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisation als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkennen – Aufarbeitung vorantreiben, in: Deutscher Bundestag, 20. Wahlperiode. Drucksache 20/2429, 23.06.2022, S. 3.
  83. Zit. Polten, S. 358.
  84. Hübner, Ingolf: Diakonie in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR, in: Diakonie Deutschland Infoportal, URL: www.diakonie.de/ddr  [letzter Zugriff am: 13.01.2025]
  85. Das Gesetz bestimmte neun verschiedene, oft unklar definierte Gruppen von Erbkranken. So unterlagen u.a. Schwachsinnige, Schizophrene, Epileptiker und chronische Alkoholiker der Zwangssterilisation. Die individuellen Fälle wurden von „Erbgesundheitsgerichten“ begutachtet, die sich aus regimetreuen Juristen und Medizinern zusammensetzten. Obwohl dieses Programm 1939 größtenteils eingestellt wurde, verordneten die Erbgesundheitsgerichte bis zum Ende des Krieges insgesamt circa 400.000 Menschen den sogenannten „Hitlerschnitt“.
    Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (14. Juli 1933), Reichsgesetzblatt, 1933, Teil I, S. 529. Online verfügbar unter: alex.onb.ac.at/cgi-content/alex [letzter Zugriff am: 15.01.2025]. Abgedruckt in Paul Meier-Benneckenstein, Hrsg., Dokumente der deutschen Politik, Band 1, Die Nationalsozialistische Revolution 1933, bearbeitet von Axel Friedrichs. Berlin, 1935, S. 194 – 95.
  86. Vgl. www.inklusion-als-menschenrecht.de/nachkriegsdeutschland-brd-und-ddr/ (letzter Zugriff am: 01.09.2023)
  87. Vgl., Degener, Theresia: Art. ‚Menschenrechte und Behinderung‘, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 160 – 169: 1948 wurde die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ deklariert, die jedoch behinderte Menschen nicht mit einschloss.
  88. Vgl. Volkmann, Hans-Erich (Hrsg.): Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkrieges. Eine perspektivische Rückschau. München 1995.
  89. Hockerts, Hans Günter: Wiedergutmachung in Deutschland 1945-1990, a.a.O., S. 21.
  90. Dörre, Stefffen: Zwischen NS-“Euthanasie“ und Reformaufbruch. Die psychiatrischen Fachgesellschaften im geteilten Deutschland. Berlin 2021.
  91. Vgl. Lingelbach, Gabriele / Waldschmidt, Anne (Hrsg.): Kontinuitäten, Zäsuren, Brüche? Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen in der deutschen Zeitgeschichte. Frankfurt am Main, New York 2016.
  92. Köhler, T.: Behinderung im Sozialismus: Rehabilitation und Integration in der DDR. Berlin 2011, S. 112.
  93. Zit. Aus: Zwischen Bevormundung und Teilhabe:  Menschen mit Behinderungen in der DDR, unter: www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/dossiers/zwischen-bevormundung-und-teilhabe-menschen-mit-behinderungen-der-ddr [letzter Zugriff am: 13.01.2025]
  94. Ebd.
  95. Barsch, Sebastian: Geistig behinderte Menschen in der DDR. Erziehung - Bildung – Betreuung (= Lehren und Lernen mit behinderten Menschen. Band 12, 2. Aufl. Oberhausen 2013.
  96. Helwig, Gisela: Am Rande der Gesellschaft. Alte und Behinderte in beiden deutschen Staaten. Köln 1980.
  97. Rudloff, Wilfried / Kersting, Franz-Werner / Miquel, Marc von / Thießen, Malte (Hrsg.): Ende der Anstalten? Großeinrichtungen, Debatten und Deinstitutionalisierung seit den 1970er Jahren. Paderborn u.a. 2022.
  98. Das waren meist Internate, die sich nach der Art der Beeinträchtigung in Gehörlosen- und Schwerhörigen-schulen, Blinden- und Sehschwachenschulen, Sprachheil- und Körperbehindertenschulen sowie Hilfsschulen für Kinder mit einer Lernbehinderung unterteilten. Dort sollten die Schülerinnen und Schüler gefördert und auf die Anforderungen des Berufslebens vorbereitet werden. Dabei ähnelten die vermittelten Inhalte und didaktischen Methoden durchaus der westdeutschen Sonderpädagogik.
  99. Pehnke, Andreas: Die schulische Betreuung behinderter Kinder in der ehemaligen DDR, in: Liedtke, Max (Hrsg.): Behinderung als pädagogische und politische Herausforderung. Historische und systematische Aspekte. Bad Heilbrunn 1996, S. 223-235.
  100. Hottenrott, Laura: „Der Kern der Gesundheit ist Anpassung“. Medizinische Aspekte der DDR-Heimerziehung, in: Laudien, Karsten / Dreier-Horning, Anke (Hrsg.): Jugendhilfe und Heimerziehung im Sozialismus. Beiträge zur Aufarbeitung der Sozialpädagogik in der DDR. Berlin 2016, S. 83-102.   
  101. Harych, Horst: Zur Situation von Behinderten und Pflegebedürftigen in Ostdeutschland, in: Hauser, Richard / Olk, Thomas (Hrsg.): Soziale Sicherheit für alle? (= Beiträge zu den Berichten der Kommission für die Erforschung des Sozialen und Politischen Wandels in den neuen Bundesländern. Beiträge zum Bericht 2 „Ungleichheit und Sozialpolitik“, Band 3), Opladen 1997, S. 333-375.
  102. Barsch, Sebastian / Bösl, Elsbeth / Lingelbach, Gabriele / Rössel, Raphael (Hrsg.): Disability History (= Zeithistorische Forschungen. Studies in Contemporary History, 19. Jg., Band 2022│2). Göttingen 2023.
  103. Im Gegensatz zur DDR war die Unterstützung jedoch häufig von regionalen und institutionellen Unter-schieden geprägt, was zu einer uneinheitlichen Versorgung führte.
  104. Müller, R.: Die Entwicklung der Sonderschulpädagogik in Deutschland. Wiesbaden 2003, S. 45.
  105. Ebd., S. 60.
  106. Sonderschulen wurden in der Bundesrepublik Deutschland nach 1948 als Teil eines segregierenden Bildungssystems etabliert, das die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung adressieren sollte. Ziel war es, diesen Kindern eine spezifische Förderung zukommen zu lassen, die im allgemeinen Schulsystem nicht gewährleistet werden konnte. Die rechtliche Grundlage bildete das Gesetz über die Förderung behinderter Menschen (Bundessozialhilfegesetz, BSHG) von 1961. Parallel entwickelten sich verschiedene Schulformen, wie z. B. Schulen für geistig Behinderte, Körperbehinderte und Hörgeschädigte; vgl.  Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Geschichte der Behindertenpolitik in Deutschland. Online verfügbar: www.bmas.de [letzter Zugriff am: 10. Januar 2025].
  107. Innerhalb der BRD gab es zwar Bestrebungen, behinderte Kinder in reguläre Schulen zu integrieren, jedoch wurde dies nur schrittweise umgesetzt.
  108. Schäfer, H.: Werkstätten für Menschen mit Behinderung: Eine kritische Analyse. Berlin 2010, S. 23.
  109. Bösl, Elsbeth: Politiken der Normalisierung. Zur Geschichte der Behindertenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Bielefeld 2009; www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32707/die-geschichte-der-behindertenpolitik-in-der-bundesrepublik-aus-sicht-der-disability-history/ [letzter Zugriff am: 13.01.2025]
  110. Vgl. Poore,  Carol: Disability in Twentieth-Century German Culture. Ann Arbor 2007, S. 277f.
  111. Bundesministerium des Innern (BMI) Abt. Va1, Schreiben an Abt. Va2, 12.8.1958, Bundesarchiv (BArch) B 106 8414.
  112. Ein Redner – Ludwig Hönle – des Verbands der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands e.V. (VdK) protestierte im Jahr 1963 gegen diese gesellschaftliche Haltung und konstatierte, dass das Leben sehr wohl lebenswert sei. Mit einer Behinderung könne man sich durchaus aussöhnen. Vgl.: Ohnhändertagung des VdK am 9.2.1963 in Düsseldorf, Rede v. Ludwig Hönle, NRWHStA BR 1134 594.
  113. Bis 1969 Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.
  114. Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA): Arendt, Walter: Rede zur Gründung des Vereins Haus der Behinderten Bonn e.V., Manuskript, 29.10.1973, BArch B 189 28091.
  115. Arendt, Walter: Wege zur Chancengleichheit der Behinderten, in:  Jochheim, Kurt-Alphons u.a. (Hrsg.): Wege zur Chancengleichheit der Behinderten. Bericht über den 25. Kongress der DeVg e.V. in Bad Wiessee, 10.-12.10.1973. Heidelberg 1974, S. 11-21, hier S. 20.
  116. Vgl. Rau, Susanne: Die subjektive Konstruktion von Räumen: Wahrnehmungen – Erinnerungen – Repräsentationen, in: Dies.: Räume. Konzepte, Wahrnehmungen, Nutzungen. Frankfurt am Main, New York, S. 171ff.
  117. DIN 18025 Wohnungen für Schwerbehinderte, Planungsgrundlagen, Bl. 1: Wohnungen für Rollstuhlbenutzer (1972), Bl. 2: Wohnungen für Blinde und wesentlich Sehbehinderte (1974); DIN 18024 Bauliche Maßnahmen für Behinderte und alte Menschen im öffentlichen Bereich. Planungsgrundlagen, Bl. 1: Straßen, Plätze und Wege (1974), Bl. 2: Öffentlich zugängliche Gebäude (1976).
  118. Vgl. www.bpb.de/themen/inklusion-teilhabe; www.lebenshilfe.de [letzter Zugriff am: 13.01.2025]
  119. Vgl. Köbsell, Swantje: Art. ‚Behindertenbewegung‘, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 217ff.
  120. Zit., ebd; 1960er und 1970er Jahre: Es begann eine allmähliche Verbesserung der sozialen Sicherungs-systeme. Das Bundessozialhilfegesetz (1961) und das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (1977) sind Beispiele dafür. 1980er Jahre: Es gab zunehmend ein Bewusstsein und politische Bemühungen um die Integration und Unterstützung von Menschen mit Behinderungen.
  121. Vgl. Prosetzky, Ingolf: Art. ‚Isolation und Partizipation‘, in: Dederich, Markus / Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Stuttgart 2009, S. 87ff. : Durch die Verbindung von Außen- und Innenperspektive ermöglicht der Isolationsbegriff erstens die Kluft der Zweifaktorentheorie von Biologischem und Sozialem bei der Erklärung von Behinderung zu überwinden; Der Partizipationsbegriff erfreut sich in pädagogischen Forschungs- und Praxisfeldern einer großen Beliebtheit. Partizipation wird häufig synonym mit den Begriffen ‚Teilnahme, Teilhabe, Beteiligung oder Mitbestimmung verwendet.
  122. Frehe, Horst: Konfrontation oder Integration, in: Gerber, Ernst P. / Piaggio, Lorenzo (Hrsg.): Behinderten-Emanzipation. Körperbehinderte in der Offensive. Basel 1984, S. 104 – 129.
  123. N.N.: Warum Krüppel?, in: Krüppelzeitung 1, 1982, S. 2
  124. Vgl. Daniels, Susanne von u.a. (Hrsg.): Krüppel-Tribunal. Menschenrechtsverletzungen im Sozialstaat. Köln 1983, S. 9 – 10.
  125. Schäfer, H.: Vergleichende Analyse der Behindertenpolitik in DDR und BRD. Weinheim 2018, S. 89.
  126. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): "Geschichte der Behindertenpolitik in Deutschland". Online verfügbar: www.bmas.de [letzter Zugriff am: 10.01.2025].
  127. Poore, S. 278f.
  128. isl-ev.de/themen/partizipation/ [letzter Zugriff am: 16.01.2025]
  129. Ebd. [letzter Zugriff am: 16.01.2025]
  130. www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/themen/entschaedigung/ [letzter Zugriff am: 16.01.2025]
  131. Poore, Carol: Disability in twentieth-century German culture. Ann Arbor 2007.
  132. Zit.: www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/themen/entschaedigung/ [letzter Zugriff am: 13.01.2025]
  133. Zitat, in: Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Nicole Gohlke, Gökay Akbulut, Matthias W. Birkwald, Clara Bünger, Anke Domscheit-Berg, Susanne Ferschl, Ates Gürpinar, Dr. André Hahn, Ina Latendorf, Pascal Meiser, Petra Pau, Sören Pellmann, Heidi Reichinnek, Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Jessica Tatti, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE. Opfer von NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisation als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkennen – Aufarbeitung vorantreiben, in: Deutscher Bundestag, 20. Wahlperiode. Drucksache 20/2429, 23.06.2022, S. 3.
  134. www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/themen/entschaedigung/ [letzter Zugriff am: 16.01.2025]
  135. Die laufende Leistung wurde gem. dem Erlass des BMF vom 14.02.2022 rückwirkend zum 01.09.2021 für alle Zwangssterilisierten sowie betroffene Heimbewohner von 580,00 Euro auf 600,00 Euro erhöht. Die Erhöhung wurde unverzüglich umgesetzt. Für 2023 ändert sich an der Höhe nichts.
  136. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. setzt sich seit über 60 Jahren als Selbsthilfevereinigung, Eltern- und Fachverband für Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Familien ein. In knapp 500 Orts- und Kreisvereinigungen, 16 Landesverbänden und rund 4.500 Diensten und Einrichtungen der Lebenshilfe sind knapp 120.000 Mitglieder aktiv. Die Ziele der Lebenshilfe sind umfassende Teilhabe und Inklusion sowie die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in Deutschland.
  137. Bühring, Petra: Kollektive Ausarbeitung notwendig, in: Deutsches Ärzteblatt 2005; 102 (17): A-1190 / B-994 / C.938; Ali, Götz: Die Belasteten. „Euthanasie“ 1939-1945. Eine Gesellschaftsgeschichte. Frankfurt am Main 2013.
  138. Zitat: Zur Anhörung des Kulturausschusses des Deutschen Bundestages am 26.09.2022: Stellungnahme der Sachverständigen Ulla Schmidt, Bundesministerin a. D. und Bundesvorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V., in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Kultur und Medien. Ausschussdrucksache 20(22)35 (neu), S. 1